NL Rück, I, C-0570l

"Lieber Herr Marx!

Wir haben grosses Pech. Herr Dr. Rück ist am 21. Juni an Lungen- und Rippfellentzündung erkrankt, wurde bereits am 25. Juni ins Nürnberger Krankenhaus eingeliefert, bekam eine Penicillin-Kur mit 40 Spritzen, die ihn den Krisentag nun überstehen liessen und wir haben das Gefühl, dass er langsam wieder werden wird. An sich eine sehr unerfreuliche Überraschung ausgerechnet gleich anschliessend an die Währungsreform, die uns erheblich beschnitten und vor allem bargeldlos gemacht hat.

Herr Dr. Rück lässt Sie aus dem Krankenhaus bestens grüssen. Natürlich sind Sie im Moment sein Sorgenkind, da ab 21. Juni bezw. ab dortigem Tag keinerlei Regulierungsmöglichkeit fürs Erste besteht. Wie es weiter gehen soll oder kann, steht noch nicht fest. Jedenfalls kann die Auszahlungsbasis Blüthner nimmer gehalten werden. Blüthner wurde von uns brieflich verständigt. Herr Dr. Rück hat zwar zwei gute Gedankengänge und er wird in wenigen Tagen gerade in Ihrer Sache Schritte unternehmen. Es tut uns ausserordentlich leid, dass wir fürs Erste völlig festgefahren sind, umsomehr wir Ihre Verhältnisse restlos kennen. Aber im Moment sieht es auch bei uns in Nürnberg trostlos aus. Der Bau kann nicht fertiggemacht werden, weil die Fussböden ca. DM 4000.- Gegenwert fehlen, auch die sanitären Anlagen zu installieren wären und all diese Arbeiten im voraus in bar bezahlt werden sollen. Klaviere können nicht abgestossen werden, da soviel Barmittel niemand auf der Hand hat und uns eine langfristige Bezahlung ja nichts nützt.

Unsere Mitteilung an Sie bezüglich der Blüthner'schen Zahlungseinstellung zu unseren Lasten ist natürlich für Sie schwer treffend, doch hofft Herr Dr. Rück, in Kürze vielleicht doch eine halbwegs akzeptable Brücke bauen zu können, wenn auch dort die Verhältnisse nicht radikal gehaust haben sollten. Gedulden Sie sich also etwas, in aller Kürze hören Sie wieder. An sich überall das gleiche Lied, auch hier: Mietklavier-Kündigungen auf Kündigungen, keine Barmittel, überall Not, auch wenn solche nur künstlich seitens der Diktatoren produziert wird.

Ich wünsche nur, dass Herr Dr. Rück bald wieder auf die Höhe und vor alem aus dem Krankenhaus kommt und wir dann vielleicht doch in Zeitabständen die gröbsten Fertigstellungsarbeiten der die zunächst dringendst zu gebrauchenden Räume meistern können, damit wenigstens Herr Dr. Rück mal aus den jetzt sehr, sehr beschränkten Raumverhältnissen im Hause Siegel herauskommt, was sicherlich auch für seine Wiederherstellung einen guten Beitrag geben wird.

Bis zur nächsten Post einstweilen Ihnen allen viele Grüsse // von Ihrem".

Absender/Urheber Person
Absender/Urheber Institution
Empfänger Person
Datum
1948,07,08
Schreibort
Nürnberg