NL Rück, I, C-0570l

"Lieber Herr Marx!

Soeben kommen miteinander Ihr lieber Brief vom 12. Dez. und Ihre Karte vom 26. Dez., der ich zu meinem grossen Bedauern entnehmen muss, dass Sie im Krankenhaus liegen. Ich wünsche Ihnen herzlichst gute Besserung und würde mich freuen recht bald wieder und Günstigeres von Ihnen hören zu dürfen, damit Sie auch recht bald in den Genuss des Tabaks kommen.

Ihre sonstigen technischen Mitteilungen liess ich mir bestens dienen. Die Wiener Linde war dort für Flügeldeckel bestimmt, ist best ausgetrocknete Ware und dürfte etwa 15-18 mm stark sein. Das vorhandene Messingblech ist 1 mm stark. Im Übrigen kann ich Messingblech in der von Ihnen gewünschten Stärke bekommen. Wie ich hörte, kann man jetzt vom Ausland auch in die russ. Zone 5 kg-Pakete senden, aber wieder nur mit lebensnotwendigen Sachen wie Kleidung und Nahrung. Ich muss deshalb mit dem Holzsenden noch warten, bis eine sichere Versandmöglichkeit sich auftut. Resonanzholz Fichte, Buche, Linde, Ahorn, Birnbaum und Nuss habe ich bereits bestellt. Das Ahorn bekomme ich von der Holzschnitzerei-Fachschule, Berchtesgaden, Nuss lagerte noch in Schweigelberg, Birnbaum in Petersaurach, Linde in Hersbruck, ebenso Resonanzholz und Buche bekomme ich von Schiedmayer, Stuttgart. So kommt aus allen Gegenden das Holz zusammen.

Nächste Woche will ich nach Erlangen, um den Graf, den Karl Stein und den Streicher-Flügel zu besichtigen, mit meinem neuen Klaviertechniker Gatter, der als Leiter der altrenomierten Klavierfabrik Roesler, Böhm. Leipa, Wiener Mechaniken kennt. Käser hat ja schnöde und undankbar meinem Haus seit 1. Januar 1946 den Rücken gekehrt und ich bin froh in Herrn Gatter einen vollwertigeren Ersatz gefunden zu haben. Das Schönste wäre natürlich, wenn Vater Marx kommen könnte, auf den wir alle hoffen und uns freuen.

Ueber Julius B[lüthner] gehen eigenartige Gerichte, als ob er in gemeindliches Eigentum überführt würde. Ich würde dies sehr bedauern, weil gerade in unserer Branche die persönliche Initiative ausschlaggebend ist.

Sie beantworteten mir nicht die finanzielle Frage ob Sie Geld brauchen und ich bitte darüber um Ihre offene Stellungnahme. Weiter wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir für Kompensationszwecke freundlichst eine Aufstellung machen möchten, wieviele Ihrer Arbeitsstunden auf je ein neues Clavichord und auf je ein neues Spinett ungefähr kommen, damit ich die Instrumente durchkalkulieren kann hinsichtlich ihres Gestehungspreises.

Kürzlich führte Steglich in seinem Seminar Ihr neues Meisterspinett vor und alles war beglückt über den so schoönen Ton und die geradezu vorbildliche meisterhafte Arbeit. Auch ich freue mich
jedesmal von Neuem, wenn ich die schönen Beinspinette sehe. Inzwischen ist auch Ihr Clavichord Leme gut in Erlangen gelandet und bei meiner Sammlung aufgestellt. Wenn ich den Raum nicht bekommen hätte, wären mir nur etwa 60 qm in einem Kloster 50 km von Nürnberg entfernt zur Verfügung gestanden. Es wäre unmöglich gewesen dort alles unterzubringen. So kann ich wenigstens die beiden Depots in der fränk. Schweiz gar räumen. Vorerst hinde[r]n allerdings die unfahrbaren Wege, auch quält mich eine Bronchitis seit kurz vor Weihnachten, sodass ich erst nächste Woche wieder ausgehe.

Ich freue mich, dass das Leder sich vorfand, ich konnte gerade in diesen Tagen Ihnen leider nichts senden.

Bitte wenn Sie weiteres Material brauchen, bestellen Sie solches möglichst umgehend gleichzeitig bei Häussler, Sippach und Schlessiger in meinem Namen, denn die Materialien werden immer knapper und man muss nehmen was man bekommt, damit wir nicht aufsitzen.

Wenn Sie vom Arzt aus besondere Ernährung brauchen, oder Medikamente, oder Vitamine, teilen Sie mirs mit, vielleicht kann ich Ihnen dann unterstützend unter die Arme greifen. Inzwischen herzlichst gute Besserung, nochmals alle guten Wünsch von mir und Frl. Weigand und viele liebe Grüsse von // Ihrem // Dr. Rück".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1947,01,03
Schreibort
Nürnberg