NL Rück, I, C-0570l

"Lieber Herr Marx!

Ich erhielt dankend Ihren Brief vom 25. 7. und depeschierte Ihnen gestern als Antwort folgendes: wenn ihnen gedient sprechet mit julius blüthner, dort für mich zu arbeiten, bezahlung durch Blüthner, der diese seinerseits wieder mit mir verrechnet Erste Arbeit 2 neue Clavichorde oder 2 Spinette ihrer Modelle. Depescnieret tölzer Adresse.

Dazu folgendes:

Sie schreiben mir, vorläufig seien Sie gezwungen, in Leipzig in irgendwelcher Branche zu arbeiten, um mehr Lebensmittel und Verdienst. Darauf baut sich mein Vorschlag auf, den ich hiermit ausführlicher darlegen:

Sprechen Sie mit Hr. Seschee von Blüthner, dass ich die Herren bitten liesse, Sie in irgend welcher Form einzustellen und ihnen einen Arbeitsplatz zu geben. Sie würden aber bei Blüthner nicht für Blüthner arbeiten, sondern Arbeiten für mich ausführen. Blüthner würde Sie bezahlen und zwar so, dass er wie üblich die Steuern, Versicherungen wie bei seinen Arbeitern regelt. Blüthner würde dann seinerseits mir seine Auslagen aufgeben und ich würde diese wieder an Blüthner zurückbezahlen. Die Form der Rückzahlung meinerseits würde ich dann mit Dr. Haessler besprechen. Man könnte Sie auch als [H]eimarbeiter bei Blüthner einstellen, dann würden Sie dort nur
jene Arbeiten ausführen, für die Sie Vorrichtungen benötigen, das was Sie aber daheim machen können daheim machen und würden Ihre Stunden regelmässig an Blüthner alle Woche aufgeben.

Auf diese Weise hätten Sie Arbeit, Verdienst, die Arbeiterverpflegung und die Versicherung, gehen allerdings Ihrer Rente verlustig, wenn ich Sie richtig verstehe.

Wenn Sie in einer anderen Branche Arbeiten, ist diese Ihnen ja auch fremd und im übrigen wird dort die Steuer ja auch ans Finanzamt abgeliefert werden müssen etc..

Ich halte also meinen Vorschlag, wenn Blüthner zustimmt für richtig. Als erste Arbeit würde ich zwei neue Clavichorde vorschlagen. Hierüber waren wir uns früher ja schon einig und im übrigen bliebe deren Ausführung Ihrer Kunst ganz überlassen. Notwendiges Material müssten Sie allerdings, falls Bl es nicht hat - ich denke an Messingblech 1 mm für die Tangenten - bei mir telegrafisch anfordern, denn brieflich vergeht ja viel zu viel Zeit hin und zurück. Das Holz wird Blüthner wohl geben können. Das Gehäuse könnte entweder Weichholz sein, dann würden wir in Nbg die Instrumente antik streichen lassen, oder irgend ein Hartholz: Nuss, Birke, Birn, Kirsch, Palisander, Mahagoni etc. .Scharniere würde ich durch Braun machen lassen nach Ihren Angaben.

Ausserdem wäre eine andere Arbeit die Restaurierung Ihres eigenen engl. hohen Pianos, falls Sie mir solches verkaufen wollen. Endlich wäre zu denken an 2 Sätze Hammerköpfe, Stiele und Auslöser für Mozart-Walter-Flügel: alles nützliche Arbeiten, mit denen wir die Zeit überbrücken konnten, bis

a. eine Versandtmöglichkeit für alte Instrumente oder Teile davon in die russ. Zone möglich wird

b. oder Ihr Kommen nach Nürnberg mitsamt den bei Ihnen liegenden Instrumenten und Ihrem Werkzeug ermöglicht wird.

Natürlich sind Sie mir jederzeit willkommen. Die Zuzugsgenehmigung für Sie bekomme ich nach Rücksprache mit dem Arbeitsamt als Mangelberuf ohne weiteres, habe dabei jegliche Unterstützung seitens der maassgebenden Behör[d]en, wie mir bereits zugesagt worden ist. Eine Unterbringungsmöglichkeit wird geschaffen für Sie und eine Arbeitsstätte ebenfalls. Höchstens Spezialwerkzeuge, insbes. Stecheisen und Hobel müssten Sie mitbringen, da mir ja alle Hobel verbrannten und ich nur mit Mühe einen Satz alter H. für Kithil beschaffen konnte bisher, nachdem mir der neue - für Sie reserviert gewesene Werkzeug - komplett gestohlen wurde! Stecheisen liess ich zwar neu härten, soweit wir solche aus dem brandschutt ausgruben, aber ich habe wenig Vertrauen darauf, dass sie viel aushalten werden.

Sägen machen wir uns selbst, Blätter bekamen wir.

Bohrer würden wir die Ihren brauchen, da die Sätze nur unvollständig komplettiert werden konnten.

Soweit meine Vorschläge, bezl. Ihnen persönlich.

Leider schrieben Sie mir nicht die Adresse Ihres Jungen in Bad Tölz. Da ich überdies auch nicht seinen Vornamen weiss bat ich Sie telegrafisch um dessen Adresse in Bad Tölz. Dann könnte ich inzwischen direkt mit ihm in Verbindung treten, denn dies ist ja viel einfacher als über Sie. Ich hoffe die Adresse umgehend zu bekommen. Dann verhandle ich weiter mit ihm selber. Ich schrieb Ihnen darüber ja bereits ausführlich, dass ich ihn mit grösster Wahrscheinlichkeit in Nbg irgendwie unterbringen werde können, müsste aber vorher wissen, was er alles kann und ob er in irgendwelchen Arbeiten Spezialist sei.

Nun eine wichtige Sache: mein gesamter Saitendraht verbrannte und ich bekomme neuen Messingsaitendraht gezogen. Ich habe aber kein Muster mehr wie dessen Härte beschaffen sein soll. Ich bitte Sie deshalb um einige Muster hierfür, d.h. in einigen Stärken wie schwach, mittel und stark, damit dann darnach der Draht gezogen werden kann.

Da ich hier nur bis Augustende bleibe, erbitte ich Ihre briefliche Antwort nach Nürnberg, nur telegrafische Antwort nach hierher, je nachdem Sie diese Zeilen erreichen.

Falls Sie in finanziellen Schwierigkeiten sind gehen Sie mit diesem Briefe zu Blüthner zu Hr. Sesche und lassen sich dort das benötigte Geld zu lasten meines Kontos geben. Ich verrechne dann den Betrag mit Blüthner in der ihm genhmen Wiese. Herr Sesche kennt Sie ja. Ich schreibe Sesche, obwohl der Name richtig Sechehaye geschrieben wird. Diese Zeilen genügen dort als Ausweis.

Im übrigen gehen gleichzeitig einige erklärende Worte direkt an Blüthner ab.

Ohne mehr für heute begrüsse ich Sie herzlich als // Ihr Dr. RÜCK".

 

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1946,08,12
Schreibort
Ramsau