"Lieber Herr Marx!
Ich danke Ihnen bestens für Ihren Brief mit beigelegten Seitenmustern. Ich werde die Saiten in tunlichster Bälde spinnen lassen und Ihnen dann sofort senden. Auch kam das Päckchen mit den leeren Schachteln dankend an.
Zu Ihrem Brief vom 27. [?] ich bedaure, dass sich unter das Klaviaturholz Pappel geschmuggelt hat, aber meine Herren sind halt leider alle miteinander schlechte Holzkenner. Bei Vater Marx wäre das nicht passiert! Aber ich denke, Sie können doch das Holz verwerten.
Nun wäre Schlessiger (Herr Hilbert) gerne bereit, bei Raaz & Cloger die kompletten Tafeln aus Lindenholz Ihnen anfertigen zu lassen, was natürlich viel einfacher, zeit- und vor allem materialsparender wäre. Bitte schreiben Sie in meinem Auftrag an Herrn Hilbert in Firma Schlessiger und geben Sie ihm die genauen Masse an: a) für Klaviaturen zu Spinetten, b) für Klaviaturen zu Clavichorden. Es empfiehlt sich, soviele Klaviaturen gleichzeitig auf einmal für jeden Typ zu bestellen, dass die vorhandenen Tastenbeläge voll ausgenützt werden. Schreiben Sie aber dazu, dass Sie natürlich auch mit weniger Klaviaturen zufrieden sind. Herr Hilbert möge sein Bestes bei Raaz & Cloger tun. Ich habe nämlich hier keine Möglichkeit mehr, weiteres Lindenholz zu bekommen und wir wären auf Weichholz von Schreiner Kraus angewiesen. Kraus lieferte mir inzwischen zwei verleimte Tafeln, deren Qualität mich nicht befriedigte und [auf] Reklamation hin weitere zwei Tafeln in losen Brettern, die
wie ich glaube, für zwei Spinettklaviaturen verwertbar sind.
Wir schrieben vor zwei Tagen an Blüthner, er er möchte so liebenswürdig sein und eine Einfuhrbewilligung für Holz in drei Kisten sich erteilen lassen: wir würden dann Ihnen das bei mir [?] Holz zusenden u. es wäre [?] Weichholz, Birnbaum etc., gemäss Ihrer letzten Holzkiste von 12.10.46. Auch Ahorn ist dabei. Wegen Resonanzholzes bitte ich Sie, nochmals an [?] zu schreiben, damit er ev. auch helfen kann. Wir müssen da recht schön bitten, denn gutes Resonanzholz ist in ganz Deutschland nicht mehr aufzutreiben und es ist eine grosse Gefälligkeit von Sippach und Schlessiger, wenn wir überhaupt noch solches bekommen können. Diese Bestandteile-Lieferanten verkaufen sich ja vollständig aus, da sie keinen Nachschub mehr erhalten können und alles, was sie uns heute an Materialien und Resonanzholz geben, sind für diese Leute unschätzbare Werte. Ich bekomme aber etwas deswegen, weil ich Schlessiger und Sippach wieder mit anderen Artikeln als Kompensation helfe.
Die drei Kisten werden gewiss den seinerzeit von Ihnen angegebenen Massen gesandt, sodass diese Kisten für Rücktransport verwendet werden können. Ich zog vor, Blüthner um die Einfuhrgenehmigung zu bitten, damit Sie nicht die umständlichen Formalitäten erledigen müssen, welche damit verknüpft sind. Ich muss nämlich dann auf Grund der erteilten Einfuhr in die russische Zone meinerseits die Ausfuhr aus meiner Zone beantragen! Ein komplizierter Vorgang: wenn er aber erledigt ist, reist die Ware binnen weniger Tage nach Leipzig direkt, sodass es sich schon rentiert, die Formalitäten durchzufechten.
Ich vermisse noch Ihre Rückäusserung wegen weiterer Gehäuse, was wir da für Holz verwenden: die Firma André & Gernandt in Wirschnern [?]sind Spezialisten für Ahorn- am und Buche-Dickten der Klavierindustrie. Von dort könnte ich direkt in den Stärken 7 - 11 mm bekommen, wenn Sie mir umgehend angeben würden, ob wir weitere Gehäuse in diesen Hölzern machen können. Ich bekomme nämlich nicht soviel Nussbaum als notwendig ist, sodass wir zu anderen Holzarten greifen müssen. Nachdem die historischen Klaviere in Spiegelbuche gemacht waren und Ahorn anpoliert eigentlich recht anständig aussehen könnte, möchte ich diese Holzarten vorschlagen, schon um deswillen, weil ich hier den Lieferanten für einwandfrei alte gelagerte trockene Ware habe. Es ist nämlich furchtbar schwer, sonst anderweitig trockenes Holz aufzutreiben. Endlich könnte noch an Eiche gedacht werden. Bitte berichten Sie ausführlich und erschöpfend hierüber.
Ferner ist noch ausstehend die Antwort auf meine Frage nach der Schmiere für Holzgewinde. Ich entsinne mich, dass Sie eine solche vorzügliche Schmiere u.a. mit Rindertalg herstellten und ich bitte Sie auch hier um Beantwortung.
Der Bau kann beginnen, sobald ich zwei Hilfsarbeiter bekomme, die aber bis jetzt noch nicht erschienen sind. Dafür hungern Hunderte junger Burschen als Schieber auf den Bahnhöfen und Plätzen herum: die Arbeitsmoral ist durch den Krieg entsetzlichgesunken.
Die zehn frischen Eier waren nicht eineSpende von mir, sondern von Herrn Haid, dem Sie bitte direkt mit ein paar Zeilen danken wollen. Von mir selbst geht heute wieder ein Päckchen mit einigem Nahrhaften an Sie ab.
Noch eine Frage betr. des Lautenzuges: Lautenzug an dem in Erlangen befindlichen Spinett hat sich verbogen und steht ziemlich nahe an den Saiten: das Spinett wurde nämlich beim Auspacken versehentlich umgeworfen, hat aber den Salto mortale sonst bestens überstanden. Ich wäre Ihnen für einen technischen Hinweis dankbar, wie der Lautenzug wieder in Ordnung gebracht werden kann, nachdem der Draht ja leicht zu biegen ist. Besonders im Diskant ist er bedenklich nahe an den Saiten. Im übrigen wird das Spinett alle acht Tage in der Vorlesung fleissig gebraucht und alles freut sich über den schönen, blasinstrumantenähnlichen, feinen und noblen Toncharakter. Das zweite Spinett ist noch nicht ausgepackt, da es noch in auswärtigen Depot steht. Der Raum im Erlanger Depot ist leider natürlich trotz der 130 qm viel zu klein: es
war mir ein weiterer mit 7[?] versprochen, aber man will mir diesen nach Neuestem wieder nichtmehr, weil angeblich ein [?]-ref. [?] hineinkommen soll. So geht der Kampf fröhlich weiter.
Nun brauchen wir noch einen wichtigen technischen Rat: der herrliche Jean André Stein Flügel hat im Depot durch unsinnige Manipulationen von Arbeitsdienstlausbuben einen Knacks in der Dämpfung bekommen: irgendjemand manipulierte herum und die Dämpfertangenten standen bei Uebernahme des Flügels durch mich schief. Offenbar war der Raum auch nicht einwandfrei trocken und das hat nun zur Folge, dass die Pergamentschleifen, nicht mehr senkrecht stehen, sondern teilweise bis zu 30 Gr. sich verdreht haben. Wie kann man die Schleifen wieder ausrichten? Die Trageleiste der Schleifen ist fest eingeleimt und kann nicht herausgenommen werden. Sollen nunmehr die Schleifen mit Wasser leicht befeuchten und mit einzusetzenden Holzstäbchen wieder in die senkrechte Lage bringen?
Wir bitten hier um Ihren Rat, da wir nichts unternehmen wollen. Andererseits möchte ich natürlich gerne den schönen Flügel baldigst in Betrieb nehmen können, weshalb ich Sie freundlich um umgehende Beantwortung dieses ganzen Briefes bitten möchte.
Persönlich geht es mir z. Z. unberufen zufriedenstellend, nur bin ich immer noch ziemlich dürr.
Indessen Ihnen herzlichste Grüsse von Frl. Luise und [?] womit ich bin // wie immer Ihr
NS. Inliegend RM 5.- zum Ausgleich für Ihre Auslage an Curt Langhammer vom 8.4. für Elfenbein-Hinterplatten."