NL Rück, I, C-0570l

"Lieber Herr Marx!

Soeben erhalte ich Ihren l. Brief vom 14. 2. 46 und freue mich, dass Sie wenigst halbwegs wohlauf sind, so sehr ich bedaure, dass Ihre Gattin offensichtlich Schwierigkeiten mit dem Laufen hat und Sie dadurch Hausdienst leisten müssen. Hoffentlich hält dies nicht noch lange an, damit Sie wieder Ihre Freiheit geniessen, wenn das Frühjahr kommt. Alles Gute in diesem Sinne Ihnen beiden. Ich bedaure, dass Ihre Kinder alles verloren haben. Das ist schon ein recht schweres Schicksal in alten Tagen. Auch meine eigenen Verluste sind ganz erhebliche. Ich schrieb Ihnen am 27.8., 19.10., 12.II. und 16.2.46. Der Brief vom 12.II.46 ist einem Päckchen beigelegt. Ausserdem sandte ich Ihnen über Steinert Virginias und Draht (100 m). Ich hoffe, dass Sie alles erhielten. Nun schreiben Sie zu Ihrer Rechnung, über Mark 422, dass die Nota über die 2 frühen Clavichords noch offen sei: bisher erhielt ich diese Nota nicht und bäte Sie darum. Man kann jetzt über die Reichsbank, wie ich las, Geld in die russ. Zone prompt überweisen. Ich sende morgen meinen Boten zur Reichsbank, um das nachprüfen zu lassen und wenn es geht, was ich nicht bezweifle aufgrund der Zeitungsnachrichten, überweise ich Ihnen sofort die Mark 322. Denn Sie brauchen doch das Geld zum Leben!

Ich würde Sie allzugerne bald einmal bei mir sehen! So vieles hätten wir zu plaudern. Aber doch muss ich erst flügger sein. Gestern war ich nachmittags schon in meinem Zimmer bei Arch. Siegel zum Tee bei Luise, fuhr hin und zurück mit der Tram, bekam mir ganz gut. Es geht langsam vorwärts, ich wiege jetzt 62 Kilo, nahm doch in den 4 Monaten 7 Kilo zu. War Zeit, ich war körperlich ganz herunter. Und wie kann ich Ihnen helfen? Ich will versuchen, hier und da mit einem Päckchen Ihnen eine kleine Freude und Zulage machen zu können, soweit ich es ermöglichen kann.

Bitte erkundigen Sie sich doch einmal bei Ihrem Spediteur oder bei Schenker u. Co., ob ein Abtransport der fertigen Reparaturinstrumente wohl möglich wäre. Z.B. mit Auto. Schenker/Nürnberg hat öfters Autofahrten, z.B. nach Hamburg. Ich lasse auch meinerseits fragen.

Wenn Sie mir die Masse für die benötigte oder benötigten Kisten den noch unverpackten, fertigen Instrumenten geben, will ich versuchen, entweder eine Leerkiste Ihnen zu senden, oder bei Blüthner zu versuchen, dass er uns ablässt bezw. machen lässt. Dr. Hässler, mich demnächst besuchend, unterbreite ich dies.

Wenn Sie wieder etwas für mich dort arbeiten könnten, und ich stellte Ihnen eine diesbezl. Bestägigg, aus, die evtl. vom GermMus gegengezeichnet würde, als amtl. Stelle: würden Sie dann nicht als arbeitende Person in eine and. Leb.mitt Kategorie kommen können? Natrl. soll damit weder Ihre position, noch das zu restaurierende Instr. noch Ihr körperl. Zustand beeinträchtigt werden! Prüfen Sie und berichten Sie mir. Ich eröffnete nämlich vor kurzem schon dem 1. Dir. des GerMus näheres über Ihre einzigartigen Arbeiten, über Ihren derzt. körperl. Zustand und zweifle nicht, dass er uns mit einem Gutachten unterstützen würde.

Allerdings sollte natrl. das zu reparierend auch anderseits nicht gefährdet sein worüber ich nun keinerlei Urteil habe. Ich würde es herzlichst bedauern, wenn unsere gemeinsame Arbeit wirklich nicht mehr fortgeführt werden könnte, und sei es auch in bescheidenstem Masse. So habe ich schon seit Februar 45 ein Oktavspinett fertig in Kiste in Hersbruck stehen, das ich Ihnen senden wollte zur Restaurierung und das ich nicht mehr wegbringen konnte.

Wenn Sie sich später doch entschliessen könnten, einmal wieder auf ein paar Wochen zu mir zu kommen, so würde ich schon hier für Sie sorgen. Ich hoffe ja doch in einigen Wochen mit dem Aufbau beginnen zu können (als erstes mein Privatbüro und drüberliegendes Schlafzimmer, da da nur das Dach und die Zwischenböden fehlen), dann wäre schon die Werkstattfrage gelöst. Doch muss dazu in 1. Linie ein ungehinderter Zonenverkehr eingesetzt haben. Der doch allmählich greifbarere Formen anzunehmen scheint. Bis dahin haben Sie ja geruhsam Zeit, sich zu überlegen, unter welchen Umständen sich vielleicht doch Ihre Arbeitskraft, die mir und der Musikwissenschaft so unersetzbare Dienste geleistet hat, mir noch ein wenig zur Veffügung gestellt werden könnte. Dieweilen ich dann die Unterbringungs- und anderen Möglichkeiten studieren könnte!

Sie werden sagen: Hebe Dich hinweg. Verführer! Nun ja, es ist ja auch nur eine bescheidene Anfrage meinerseits. Sie wissen, wie sehr mir Ihr persönliches Wohl nicht minder immer am Herzen lag wie Ihre Arbeitskraft und Ihre eminente Erfahrung. So bitte ich, aus diesem Gesichtspunkte heraus meine Zeilen zu wagen.

Herr Direktor Dütz, seit 1 Jahre nahe Plauens (in Liegnitz hat er eine total entleerte Fabrik und ein von Fremden bewohntes Einfamilienhaus) wird Ihnen demnächst meine Grüsse persönlich überbringen! Sie können auch mit ihm näheres besprechen, was Ihnen evtl. am Herzen liegt, da er auch mich wieder aufsuchen will.

Nun zu den verbrannten Zeichnungen bei Maendler: ich schreibe Ihnen darüber nächster Tage, welche Forderung Sie dem Kriegsschädenamte München einreichen sollen, obwohl ich befürchte, dass wir da leeres Stroh dreschen. Die Bestätigungen von Maendler habe ich schon hier liegen.
Alles Gute nochmals zu Ihrem Geburtstage und allerherzlichste Grüsse von Ihrem treuergebenen, auch nicht mehr allzu jun[gen] // Dr. Rück.

 

Die obige Frage nach einer evtl. "Organisierung" der rep. Instr. lässt sich m. Erachtens dadurch lösen, dass Sie Instrument einesteils, andernteils Tasten plus Springer an getrennten Orten (Schwiegermutter?) aufbewahren. Ich führte dieses Prinzip auch bei Maendlers Mozartflügelcopie durch. - Ihre 2 Spinette liegen noch wohlverpackt in den 2 Kisten und zwar die eine in der Fränkischen Schweiz auf einem Schloss auf hohem Berg, die andere nähe Amberg ebenfalls auf einem Bergschloss in dortigen Depots, in welche ich seit 1 Jahre nicht mehr gekommen bin. So kann ich leider noch nicht berichten, wie sie den Transport überstanden: dass solche vorzüglich sind, ist bei Vater Marx Erfahrung doch selbstverständlich, daran zu zweifeln ist unnötig: was Vater Marx macht, das ist unübertroffen!"


Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1946,02,26
Schreibort
Nürnberg
Erwähnte Objekte
Hammerflügel (Nachbau)
Tasteninstrumente
erwähnt als
Auslagerung
Gebundenes Klavichord (Kopie)
Tasteninstrumente
erwähnt als
Neuerwerbung
Gebundenes Klavichord (Kopie)
Tasteninstrumente
erwähnt als
Neuerwerbung
erwähnte Personen