NL Rück, I, C-0570l

"Sehr geehrter Herr Marx!

Ihren Brief aus Bad Tölz soeben dankend erhalten. Nun sehe sich aber darin nicht klar und zwar, ob Sie seitens der Besatzungsmacht an Tölz als Aufenthaltsort gebunden wurden, alos Tölz überhaupt nicht verlassen dürfen?
Wenn dies der Fall wäre, kann ich natürlich wenig für Sie tun! Ferner schreiben Sie mir bitte genaue Antwort auf folgende Fragen:

1. wollen Sie Tölz verlassen oder haben Sie dort schon Arbeit in Ihrem Fach oder eine andere Existenz?

2. Wo ist Ihre Familie und wie gross ist diese?

3. Sind Sie Bau- oder Möbelschreiner?

4. Können Sie polieren?

5. In welchen Firmen arbeiteten Sie in Köln, d.h. welche Artikel wurden dort gemacht, an denen Sie arbeiteten?

6. Ich glaube mir zu erinnern, Ihr Vater hätte mir gesagt, Sie wären bei der MITROPA beschätigt gewesen? Oder ist dies ein Irrtum meinerseits? Wenn ja, welche Arbeiten führten Sie bei der M. aus?

7. Was machen Sie in Tölz derzeit, welche Arbeit?

8. Ist seitens der Militärregierung Ihre Tätigkeit bei der GFP [Geheime Feldpolizei] nachgeprüft worden und anschliessend unbeanstandet
geblieben? oder sind weitere Untersuchungen wegen derselben zu erwarten?

9. Sind Sie im Arbeitsamt Tölz gemeldet und wie stellt sich das Tölzer Arbeitsamt dazu, wenn Sie von Tölz weg wollen? Gibt es die Genehmigung und gibt Ihr derzeitiger Arbeitgeber die Genehmigung, dass Sie Ihre Stelle - falls Sie eine solche überhaupt haben - verlassen, falls ich SIe entweder bei mir oder wo anders als als Schreiner beschäftigen kann? Darüber müssen Sie mit dem Arbeitsamt sprechen, da dieses bei Stellenwechsel seine Genehmigung geben müsste.

10. Haben Sie Spezialkenntnisse in der Restaurierung von alten Möbeln oder sonstige Spezialkenntnisse, aufgrund deren Sie als Spezialfacharbeiter bezeichnet werden könnten? Wenn dies der Fall wäre, wäre eine Zuzugsbescheinigung nach München oder Nürnberg leichter zu erlangen! Besonders wenn das, was Sie können, als Mangelberuf angesprochen werden kann. Für einen Mangelberuf wie z.B. Modellschreiner oder Kunstschreiner oder Restaurator hist. Möbel kann ich die Zuzugsgenehmigung durch drücken, mindest in Nürnberg. Darüber verhandelte ich schon mit dem Arbeitsamte in einem anderen Fall (Klaviertechniker!).

11. Können Sie Klavierspielen, sind Sie musikalisch oder spielen Sie ein anderes Instrument?

12. Waren Sie Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen, wenn ja, seit wann, was?

13. Sind Sie entnazifiziert oder waren Sie nie bei der Partei?

14. Bei der DAF waren Sie ja doch wohl?

Beantworten Sie mir diese Fragen erschöpfend postwendend nach hier und senden Sie mir einen Durchschlag nach München, 22, Pension Biesecke, Widenmayerstr. 6 an die Adresse meines Freundes Heinr. Schleinkofer: ich reise nämlich Septemberanfang hier ab und bin dann ein paar Tage in München, von wo ich evtl. nach Tölz zu einer Rücksprache käme oder Sie nach München berufen würde. Da Briefe hierher 4-5 Tage dauern, ists sicherer, Sie schreiben hierher und nach München, dann erreicht mich der Brief sicher an einem der beiden Orte. Erst wenn ich Ihre Antwort habe, evtl Sie auch gesprochen habe, kann ich beurteilen, was ich für Sie tun kann und wo ich Sie evtl. unterbringen könnte! Ich tue mein Möglichstes, Ihnen zu einer neuen Existenz zu verhelfen, deshalb meine ausführlichen Fragen. Inzwischen begrüsse ich Sie und verbleibe Ihr ergebener Dr. RÜCK".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1946,08,03
Schreibort
Ramsau