NL Rück, I, C-0570l

"Lieber Herr Marx!

Endlich komme ich dazu, Ihre beiden letzten Briefe noch zu beantworten. Ich nützte die bisher so schönen Herbsttage weidlich aus, samt Frl. Luise, die jetzt wieder zuhause ist, während ich noch etwas hier bleibe. Doch will ich gegen Oktobermitte auch wieder zuhause sein.

Natürlich haben Sie recht gehabt, auch 14 Tage auszuspannen. Ich bitte Sie aber, diese Zeit als Arbeitszeit zu verrechnen, also als regulären und bezahlten Urlaub zu betrachten, so dass also die Zeit Ihres Ausspannens wie Arbeitszeit verrechnet wird.

Nun meinen Sie, besser wegzukommen, wenn nicht mehr über Blü verrechnet würde, sondern direkt zwischen Ihnen und uns. Ich fasse diese Sache nun so auf. Blüthner wird je aus dem zurückbehaltenen Betrage auch die Steuern und die sozialen Versicherungen für Sie decken. Wenn wir direkt zwischen uns beiden verrechnen, müssten Sie diese Beträge selbst ans Finanzamt bezw. Versicherungsamt abführen, was Ihnen meines Erachtens nur Scherereien macht. Weiter: dadurch, dass Sie Blüthner als Arbeiter führt, sind Sie doch im Lebensmittelkartenbezug besser gestellt? Oder täusche ich mich da?

Wenn wir direkt verrechnen mit Ihnen, müssten wir, um mit unserem Finanzamt keine Scherereien zu bekommen, Sie als selbständige Unternehmer rechtlich betrachten, damit das Finanzamt keine steuerlichen Ansprüche an uns stellen kann. Demgemäss und folglich müssten Sie in Leipzig als selbständiger Unternehmer selbst versteuern. Ich kann mir daraus für Sie keine Vorteile ersehen. Oder Sie versteuern überhaupt nichts und beanspruchen Ihre Rente. Aber wenn eine Kontrolle kommt erscheint wir diese Sache etwas "brenzlich" für Sie. Bitte äussern Sie wir nochmals Ihre Ansicht dazu.

Prof. Munck dürfte direkt an Blüthner überwiesen haben. Ich bin sehr froh, dass mir Munck diese Gefälligkeit erweist, denn derzeit ist ja kein Geldverkehr zwischen den Zonen möglich, schon wegen der 2 Währungen: entsetzliche Zustände! So werden wir derzt. auch keine Instrumente herausbringen? Was meint Gruber dazu?

Ich wollte im Interzonenverkehr Ihnen Holz etc. senden, die Sendung war als Reparatur an Instrumententeilen genehmigt, aber inzwischen kam die Grenzsperre. Erst wenn diese aufgehoben, kann ich an eine Neugenehmigung denken. Man hätte dann nämlich die dortliegenden 2 alten Reparaturen aus frühester Zeit aufgrund dieser Genehmigung samt Vogelorgel, Zither herübersenden können.

Für die zuletzt gesandten 2 Instrumente Nähtischklavier und Spinett liegt da eine Interzonengenehmigung auf "Reparaturen" vor, um die Rücksendung durchführen zu können. Aber diese wird jetzt auch nicht ohne weiteres vor sich gehen können!

Dass ich mit dem Ausbleien der Springer einverstanden bin, schrieb ich ja bereits an Sie.

Bei den zwei in Erlangen befindlichen Spinetten will der Lautenzug nicht so recht funktionieren: wie wäre es, wenn wir den Holzteil dieses Zuges ausbleien würden, damit er schwerer aufliegt und dadurch besser angreift? Maendler schlug dies vor.

Bei den neuen Spinetten hätte ich - wenn es zu machen ist! gerne die Laute geteilt in Baß- und Diskanthälfte. Neupert macht dies an seinen neuen Spinetten, und da er unser einziger Konkurrent ist --tonlich ist er bestimmt kein Konkurrent! - würde ich geteilte Lauten gerne sehen, immer vorausgesetzt, daß es ohne viel Umstände zu machen ist.

Ferner wenn es ginge wäre nicht unerwünscht, wenn man die Führungsleiste für die Spinetttasten (in der die Buchsbaumzungen laufen - in Zukunft herausnehmbar anbringen könnte: lässt sich dies ermöglichen? Hie und da bleibt nämlich eine Taste - wohl aus athmosphärischen Gründen - stecken in der Führung und da wäre eine Untersuchung an herausnehmbarer Führungsleiste von Vorteil. [Unleserlich] Gelegentlich erbäte ich dazu eine Konstruktionszeichnung für mein Archiv.

Bezl. neuer Clavichorde bin ich mir noch nicht ganz im Klaren, welch ein Modell wir evtl. bauen wollen: Ich möchte darüber gern nochmals mit Prof. Steglich konferieren, wenn ich nach Nbg zurück komme da ich ihn nach meiner Entlassung aus den Krankenhaus nur ganz kurz in Nbg sprach, und wir doch für den endgültigen Entscheid uns nochmals das neue Modell, die Mozartcopie, das Hubert, das gebundene (übrigens sehr schöne, leider aber stark noch klappernde Befinger (das szt. noch Frank/München reparierte, nicht restaurierte!!) und das derzeit noch in Kiste befindliche Silbermann zum Vergleiche heranziehen wollen. Dazu müssen wir uns einen geruhsamen Nachmittag nehmen, um ungestört vergleichen und entscheiden zu können. Darum bat ich Sie, vorerst Spinette zu machen. Das Silbermann dürften Sie meines Wissens nicht mehr gesehen haben, da es erst im Kriege nach meines Bruders Tod als Erinnerungsstück an ihn angekauft wurde, es war ehedem im Besitze Zelters, Berlin und ist das Doppelstück zu dem in der Berliner Sammlung einst gewesenen Clavichord, das vermutlich im Kriege unterging. Ein drittes gleiches Stück ging schon vor Jahrzehnten nach Rusßland unbekannt wohin! Mein Silbermann restaurierte noch Hartmann, der es mir auch aus Berlin verschaffte.

Porti: Sie legten aus Mark 10.- für das Paket, ausserdem für 3 Päckchen wieviel? Ich möchte Ihnen dann diese Beträge zurück erstatten und werde schon einen Weg dazu finden. Wir hatten ein Angebot diesbezüglich, Herr Haid wird noch wissen, von wem. Wie war das alles früher so einfach!!

Spinett-Springer-Piloten und -Regulierschrauben: veranlasse ich in Nbg., daß Ihnen wieder 2 Sätze des Maendler-Modelles zugesandt werden. Ich will auch nachsehen, ob noch Einfurnierfirmen da sind, da ich sonst für die Spinette welche bestellen muss: für diesen Fall bäte ich Sie jetzt schon um eine Slizze für Schrift und Anordnung, wie wir solche bisher machten.

Spinett-Pult: wäre es möcglich, diese umzukonstruieren, dass es statt 3 senkrechte Streben deren 4 bekäme? Für kleiner Hefte wäre dies - wenn sichs machen liesse - gut, sonst bleibts beim alten. Man muss ja auch dabei bedenken, daß es dann dicker wird und noch mehr aufträgt.

Mechanikmodelle: wäre es möglich, dass Sie von einer Original-Erard-Mechanik mir ein Modell machten, also zur frühen, bei der der Dämpfer von unten angreift. Evtl. benötigtes Material gibt Ihnen Langhammer unter Bezugnahme auf mich, da wir ihm allerhand Gefälligkeiten laufend erweisen. Notfall[s] schreibe ich an Dr. Flemming. Eine Zeichnung könnten wir uns. Museum machen, da ich dort einen Erard von etwa 1839 habe mit dieser Mechanik.

Auch fehlt uns Modell einer einfachen Prellmechanik, aber das will ich erst angeben, wenn ich in Nbg zeichnerische Unterlagen anhand habe, die mir hier natrl. fehlen.

Bei den Ferien verstehe ich unter 14 Tagen 14 Arbeitstage. Also nicht 12 wie Sie schrieben.

Es freut mich, dass Ihnen der Päckcheninhalt Freude machte. Luise wird Ihnen in Bälde wieder etwas senden. Und wir freuen uns immer, wenn wir Ihnen eine Zulage schicken können!

Inzwischen grüsse ich Sie in alter Treue herzlichst als // Ihr".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1948,10,01
erwähnte Institutionen