NL Rück, I, C-0570l

"Sehr geehrter Herr Doktor!

Mit vielem Dank erhielt ich Ihren Brief v. 15.5.46.

Herr Haid hat hier eine Frage angeschnitten die ich mir selbst schon mehrere male durchdacht habe. Da giebt es aber so viel 'aber' dabei, daß ich es noch immer für einen Traum hielt. So lange die Zonensperre ist, ist es schon ausgeschlossen denn die Instrumente kann ich nicht meiner lieben Frau überlassen, schließlich müßten wir sie im Leihhaus suchen und wenn ich nach dort käme dann nur allein, also ohne. Dann müßte auch vorher meine Pensionszahlung geregelt sein. Wenn gleich in der Zeitung steht, daß die Zahlungen seit Juli 45 geregelt ist, d. h. soviel, daß kein Pfennig gezahlt wird, bis jetzt ein Verlust von rund 3000.- M. Nun ist auch zu bedenken, daß ich 75 Lenze zähle und große Unternehmungen bald nicht mehr in Frage kommen. – Gern würde ich Ihnen in der Prof. Schultzschen Angelegenheit behilflich sein doch ist mir Frau Sch. gänzlich unbekannt und wenn ich da ankomme nicht schwer zu erraten, daß ich besondere Anliegen habe. – Aber erfreuliche Nachrichten bringen Sie von Ihren verlagerten Instrumenten. Über Salzburg läßt sich wohl reden.

Was die Zuteilung betrifft so haben wir hier 5 Gruppen: Schwerarb., Arbeite, Angestellte, Kinder u Sonstige. Von Mai bis Nov. stand Fleisch und Butter nur auf dem Papiere. Seit dem hat es sich allmählich eingerichtet. Wenn auch manches anders aussieht. Fleisch z. B. auf 100 gr nur 60 gr, Marmelade auf 200 nur 110 gr. Kunsthonig u. v. m.

In der ganzen Periote [sic] habe wir ein ganzes Ei bekommen. Ist das nicht rührend? Man denkt ja, einstens wird es wieder besser und so wollen wir die Hoffnung nicht sinken lassen.

Mit herzlichen Grüßen // Ihr sehr ergebener // Otto Marx".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1946,06,11
Schreibort
Leipzig