NL Rück, I, C-0570l

"Lieber Herr Marx!

Gestern sandte ich Ihnen zu Ihren Geburtstag ein eingeschriebenes 500 gr. Päckchen, enthalten 25 Zigaretten, 6 Zigarren (die letzten österr. Brasil) Lebkuchen und etwas echten Tee. Ich wünsche guten
Empfang und hoffe, daß Sie auch die Virginia etc. über Herrn Steinert
erhielten. Heute etwas geschäftliches:

1.) Kreutz, Stuttgart behauptet, bei historischen Klavichorden wären die Böden mit Absicht deswegen zu wenig berippt gewesen, damit sie
gut schwingen. Die Folge wäre gewesen, daß sich die Böden rasch durchgedrückt hätten. Deshalb hätten die damaligen Reparateure und und Clavichordbauer etwa alle 15 - 20 Jahre die Böden erneuert! Wenn
dem so wäre, dann hätte Ihnen bei Ihren Restaurierungen alter Clavichorde doch unbedingt auffallen müssen, das der Stimmstock alte, ausgedübelte Stimmwirbellöcher aufweisen hätte müssen. Wie wir es an Mozarts Clavichord fotografisch festlegten. Denn es ist nicht anzunehmen, daß die Alten die neuen Böden so genau hinbrachten, daß die Wirbel wieder präzise in die alten Löcher gepaßt hätten. Mir
persönlich kommt dies Kreutz'sche Behauptung ziemlich fantastisch vor, trotzdem wäre es mir wertvoll oder gerade deswegen, über Ihre Erfahrungen näheres von Ihnen geschrieben zu bekommen.

2.) Ich schulde Ihnen Geld für die gemachten Reparaturen bezw. Neuanfertigungen und bitte Sie um Ihre Rechnung. Nach neuesten Bestimmungen ist es möglich von der amerikanischen Zone aus Geld in die russische Zone überweisen zu können über die Reichsbank Frankfurt und von dort über das Berliner-Stadtkontor an eine Leipziger Bankstelle.

3.) Falls die angefertigten Scharniere aus den nichtbiegbaren Eisenblech, welche, wie Sie schrieben, entzwei gingen, noch haben, bitte ich um deren Übersendung. Da Päckchen bis zu 500 gr. erlaubt sind bereitet die Versendung keine Schwierigkeiten.

Ich bin etwas in Sorge, daß ich seit Monaten so gar nichts mehr von Ihnen höre und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir doch recht bald antworten möchten.

Professor Steglich, jetzt 60, liest wieder und ist in seinem Lehramt bestätigt worden. Wie stehts mit Prof. Schultz, Dr. Hußmann und allen übrigen? Wo ist die Sammlung bezw. was ist davon noch vorhanden. Würde mich sehr interessieren über all dies zu hören. Becking Prag ist dort verhaftet worden und unbekannten Aufenthalts. In Salzburg amtiert noch Heidl und Vorstand der Stiftung Mozarteum ist jetzt Prof. Baumgartner.

Über meine in Sig[h]artstein verlagerten Instrumente weiß ich leider gar nichts.

Wie könnte ich Ihnen helfen, damit Sie wieder ein wenig für mich
arbeiten könnten?

Schreiben Sie recht bald und sein Sie recht herzlich gegrüß[t] // von Ihre[m] // Dr. Rück."

 

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1946,02,16
Schreibort
Nürnberg