NL Rück, I, C-0570l

"Lieber Herr Marx!

Ich sende Ihnen anliegende die schon längst versprochenen Zeichnungen zum Mozartflügel. Ich weiss allerdings nicht, ob wir, d.h. mein Techniker Gatter, Ihre Anweisungen auch richtig verstanden haben. Bitte prüfen Sie alles und wenn etwas fehlt, geben Sie mir postwendend Bescheid, damit ich dann das fehlende sofort nachbeschaffen kann.

Mein Bau geht leider nicht in dem wünschenswerten Mass vorwärts, dass ich schon ein halbwegs menschenwürdiges Büro hätte. Es wird immerhin frühestens Pfingsten werden, bis es soweit ist, dass wir wenigstens Büroräume haben, um wieder richtig arbeiten zu können. Das Behelfsheim mit 25 qm soll gleichzeitig mit 10 qm Büro und mit 15 qm sogen. Werkstatt sein. Darin stehen aber auch schon 3 Schränke, arbeitet Kithil an der winzigen Geigenmacherhobelbank, die Sie ja von früher kennen - und schimpft den ganzen Tag, was Sie ja auch von früher her kennen werden. Zudem erlitt seine Frau vor ein paar Monaten einen Schlaganfall, an dem sie noch laboriert, sodass er wenig guter Laune ist.

Ich würde Sie so gerne einmal auf ein paar Monate hierhernehmen. Aber bevor nicht mein Haus fertig ist, ist das leider nicht möglich und das bedaure ich selbst am meisten, auch in Ihrem Interesse. So will ich wenigstens hie und da mit einem Päckchen versuchen, Ihnen zu helfen.

Und nun muss unbedingt in den nächsten Tagen auch endlich das Holz zusammengepackt und irgendwie versucht werden, es Ihnen zuzuleiten. Dadurch, dass ich ständig am Bau sein muss, komme ich einfach zu keinerlei vernünftiger Arbeit, was Sie schon daraus ersehen können, dass wir noch nicht einmal eine Bilanz 1943, geschweige denn 1947 haben. Haid arbeitete auch eineinhalb Jahre fast ausschliesslich an seinem Haus und hat jetzt noch teilweise dadurch der kaufmännische Betrieb in keiner Weise richtig verlaufen können. Nun, wir hoffen auch hierin auf baldige bessere Zeiten.

Mit gleicher Post schreibe ich wiederholt an Gruber, damit er sich um die Angelegenheit des Abtransports der fertigen Sachen nochmals bekümmert. Ebenso machte ich wiederholt Dampf nach den Piloten und Messingschrauben für die Spinette, die auch schon längst fertig sein sollten. Alles geht einen schleppenden Schneckengang und es gehört wirklich manchmal ein mehr als gesunder Optimismus dazu, den Faden nicht zu verlieren.

Zum Aufschreiben Ihrer Stunden lege ich Ihnen Schreibkalender bei, der Ihnen sicher gute Dienste leistet. Er besteht aus losen Blättern, die Sie sich seitlich durch einen Schnurdurchzug einfach zum Umlegen binden können, da es die Mechaniken dazu im armen Deutschland nicht gibt. Auch einige Kuverts füge ich bei, die zwar schon verwendet waren, aber wieder gebraucht werden können.

Inzwischen alles Gute, viele herzliche Grüsse // von Ihrem".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1948,01,20
Schreibort
Nürnberg