"Lieber Herr Marx!
Wir waren nun in Erlangen. Erard-Flügel-Mechanik:
Sie finden per Päckchen 3 Originalglieder sowie eine Zeichnung des Mechanikstuhles. Aus diesen Teilen und den Fotos können Sie nun wohl das Mechanik-Modell zusammenbauen. Die nötigen Metallteile legen wir diesem Brief gleich bei, denn Sie werden solche kaum in Leipzig auftreiben.
Mozart-Flügel: Wir stellten fest, dass am frühesten Walter-Flügel die Dreichore ab eingestr. b nach oben beginnen. Sie sind aber nicht so eigenartig angelegt wie bei dem Original-Flügel, sondern die Reihen stehen ganz normal, die Halbtöne etwas zurückgesetzt, wie in jener Zeit üblich. Ferner stehen die Schränkstifte des Steges am Stimmstock je drei Stück in gleicher Entfernung voneinander. Es ist also nicht der linke Stift jedes Dreichores etwas zur Seite gerückt.
Nun finde ich in dem Buch von Blüthner-Kretschel, Der Pianofortebau, in der Abhandlung von Prof. Niemann über die histor. Entwicklung des Klavieres eine interessante Bemerkung und zwar über Jean André Stein. Hier schreibt Dr. Niemann folgendes:
"Ein anderes von Stein erfundenes Instrument, die Saiten-Harmonika, bestand aus einem Flügel, bei welchem die 3. Saite jedes Saitenchores etwas weiter von den beiden ersten entfernt war. Beim gewöhnlichen Spiel traf der Hammer alle 3 Saiten, bei einer Verschiebung aber wurde die 3. Saite, das sogen. Spinett, allein getroffen. Nach Gerbers Angabe erhielt das Instrument durch diese Anordnung nicht nur eine gewisse Schärfe (II), sondern es entstand auch beim Erlöschen des Tones noch ein ganz besonderer Effekt, in dem das Fortpiano beim leisesten Druck den Ton noch zum "Spinett" übertrug. Für ein solches Instrument, das Stein im Jahre 1790 nach Mainz lieferte, erhielt er nicht nur die akkordierten 100 Louisdors,
sondern auch noch als Geschenk ein Fass Rheinwein."
Sollte Walter bei dieser Konstruktion des orig. Mozart-Flügels eine derartige Einrichtung zuerst vorgechwebt haben? Jedenfalls ist diese Bemerkung sehr interessant und mir ist nicht ganz erklärlich, wieso Gerber dazukommt, dass diese Choranordnung eine gewisse Schärfe gibt. Tatsächlich ist ja der Mozartflügel im Toncharakter etwas schärfer als wie unsere Kopie geworden ist. Diese hat einen ausgesprochen flötenartigen Charakter, wie ihn Nanette Stein so sehr an ihren Klarvieren schätzte. Allerdings darf man nicht vergessen, dass der Originalflügel ja keinen neuen Boden hat und 150 Jahre alt ist. Es wird mich sehr interessieren, Ihre Meinung über diesen Punkt zu hören.
Wir freuen uns, dass wir Ihnen mit dem Paket soviel helfen konnten.
Gestern sind meine Pässe gekommen und ich hoffe noch in dieser Woche vom Geschäft loszukommen und endlich in den wirklich sauer verdienten Erholungsurlaub zu fahren. Weitere Mitteilungen direkt für mich nunmehr nach Hotel Krone. Badgastein/Oesterreich, zu frankieren mit 30 Pfennigen.
Es wäre mir lieb, wenn wir in ungefähr 3 - 4 Wochen dann die Originalteile zu dem Erard wieder zurückbekommen können, damit der Flügel im Laufe des Oktobers wieder spielbar ist. Wir wählten die letzte Basstaste. Sollten Sie auch noch die Dämpfungsglieder brauchen, bitte ich, diese von Herrn Scholz zu verlangen.
Nach den Hammerköpfen suchen wir. Auch ich glaube mich bestimmt zu erinnern, dass diese dabei waren. Wenn Sie nichts mehr hören, geht die Sache in Ordnung. Eine Untersuchung der Hammerköpfe an dem originalen, frühesten Walter ergab, dass diese aus einem Seidenglanzholz bestand, das sehr leicht ist und ziemliche Aehnlichkeit mit Lindenholz hat. Wir können aber nicht entscheiden, ob es wirklich Lindenholz ist.
Wenn Sie für die Erard-Mechanik Holz benötigen, bitte ich Sie, dieses sich bei Flemming, Langhammer, Mannborg oder Blüthner zu holen auf unsere Kosten.
Viele liebe Grüsse // von Ihrem
NB:
Ich bitte Sie von dem Wrack, das bei Ihnen mit englischer Hammerklaviermechanik liegt, ein Modell dieser Mechanik zu machen. ich denke, dass Sie die Teile dazu aus dem Wrack herausnehmen können, denn dieses ist ja sowieso ziemlich wertlos. Ich überlasse diese Sache Ihnen, wie Sie am besten das Modell machen.
Wir legen dem Päckchen allerhand Materialien bei, die Sie für die Erard-Mechanik wohl verwenden können. Wenn Sie noch etwas brauchen, bitte ich um genaue Beschreibung und direkte Mitteilung an herrn Scholz. Mit besten Grüssen // D.O.
14. Sept. 1950
Lieber Herr Marx!
Herzlichen Dank für Ihren ausführlichen Brief. Die techn. Details beantwortet Herr Scholz nächste Woche, sobald er über all Ihre Fragen Bescheid weiss, da er vorher noch nach Erlangen muss, um im Claviorganum nachzusehen.
Wir können die 2 Sätze Hammerköpfe nicht finden und so ist es wohl am einfachsten, Sie machen 2 neue Sätze, umsomehr wir ja diese immer wieder verwenden können. Ich bitte Sie also darum.
Ferner wäre uns eine grosse Hilfe, wenn Sie uns von den Dämpfern 2 Serien machen würden. Die Belederung und den Dämpferkasten müssen wir natürlich hier machen, da er haarscharf eingepasst werden muss.
Gleichzeitig bestätige ich Ihnen bestens dankend den Empfang des Clavichordmodells, das Sie wieder sehr schön gemacht haben. Es ist die alte Meisterarbeit meines lb. Herrn Marx! - Ich bin schon über dem Zusammenpacken, deshalb nur diese wenigen zeilen. Mit vielen lb. Grüssen von mir, Herrn Scholz u. Frl. Luise // wie immer Ihr".