"Lieber Herr Marx!
Ich danke Ihnen bestens für Ihre liebe Karte vom 18. d.M. und möchte Ihnen vor allem zu dem Hinscheiden Ihres Dresdener Bruders mein aufrichtiges und herzliches Beileid andurch übermitteln. So sind Sie also jetzt von sieben Geschwistern der Letzte: meines ganzen Hauses beste Wünsche für Ihr weiteres Wohlergehen begleiten diese Zeilen in alter Verbundenheit und Treue.
Heute geht wieder ein 7-kg-Paket an Sie ab, u.a. wieder Fett enthalten und die Stimmwirbel. Da Sie inzwischen ja wahrscheinlich doch auch Ferien machen, sende ich Ihnen die Wirbel gleich im dem Paket der Einfachheit halber zu. Sie sind tadellos entrostet, was mit der rotierenden Bürstenscheibe eine Kleinigkeit ist.
Ihre Mitteilungen über die Orgel waren mir sehr interessant. Herrn Scholz verständigte ich, dass die 1. Bassaite 1, 40 m ist. Er wird nun anhand seiner Tabelle einen geeigneten Bezug herausknobeln und Ihnen darüber direkt berichten, da ich auf einige Tage nach München fahre. Herr Scholz hat sich seinerzeit schon einen sehr praktischen Rechenschieber konstruiert, der das Berechen der Bezüge sehr erleichtert. Ich mische mich in diese technischen Sachen nicht ein, sondern überlasse das der Jugend - und Ihrem bewährten Rat.
Wenn Ihnen das Fischbein nicht langt, so sandte mir der amerikanische Cembalist Kirkpatrick jetzt aus Paris Federn von südamerikanischen Condor-Geiern, die aussergewöhnlich elastisch sind. Aber sonderbarerweise sandte er mir nicht den im Palg steckenden Teil, sondern den im Freien befindlichen. Wie mir Scholz mitteilte, hatte in Basel Gelegenheit, eine durch Erard-Paris früher gemachte Kopie eines Ruckers-Cembalo kennenzulernen, die eben mit solchen Kondorkielen versehen war und diese sollen sich dabei ausgezeichnet bewährt haben. Auch die englischen Cembalo-Macher verwenden Konderkiele. Diese Kiele, von denen ich Ihnen ein Muster beilege, sind sehr elastisch und könnten ev. das Fischbein ersetzen. Momentan fehlt mir die Zeit, weiter nach Fischbein zu fahnden. Aber ich komme nach Traunstein zu einem Antiquitätenhändler, vielleicht entdecke ich bei diesem ein altes Schirmgestell, sodass wir vielleicht doch die Messingfedern vermeiden können. Ich berichte wieder.
Nun eine weitere Sache: ich möchte gerne für Erlangen ein Modell
1. der origin. Erard-Doppelrepetitions-Mechanik,
2. eines Clavichords.
Dort ist nämlich von der Neupert-Stiftung her ein Clavichord-Modell, das wir aber aus begreiflichen Gründen in meiner eigenen Sammlung durch ein eigenes Modell ersetzen möchten. Das Modell ist aber andererseits praktisch. Es zeigt nämlich gebundenes und bundfreies Clavichord und ist so gearbeitet, dass man die Tasten mit der Tangente herausnehmen kann, um sie den Studenten zeigen zu können. Es ist mit 4 Saiten bezogen, 2 Tasten veranschaulichen das gebundene Clavichord mit je einer Anschlagstelle auf dem gleichen Saitenpaar (Ganzton und Halbton) und die 3. Taste veranschaulicht den Mechanismus des bundfreien Clavichords. Wenn Sie dazu Material wie Tastenbelege etc. brauchen, wird Ihnen dies ja sicher Blüthner oder Herr Gerdung von Mannborg (der am 25. wieder da ist und der eine Schachtel Lebkuchen bekommt, helfen. Weiteres Material können wir matürlich jederzeit beisteuern.
Falls Ihnen zum Vergleich ein Foto der Neupert'schen Mechanik erwünscht ist, bin ich gerne bereit, Ihnen dieses Mechanikmodell zu fotografieren.
Nächste Woche richte ich 4 Vitrinen in der 900 Jahr-Schau der Stadt Nürnberg ein, eine fürs German. Museum, wo man keinen blassen Dunst von historischen Instrumenten hat - und 3 Vitrinen für mich.
Möchten Sie nicht so lieb sein und in Leipzig zu dem Musiknotenverlag Schuberth & Co. gehen und mir, wenn möglich, besorgen: [Leopold] Godowsky, Renaissance, Serien von Klavierstücken // und Godowsky, Metamorphosen.
Inzwischen mit herzlichen Grüssen // Ihr".