"Lieber Herr Marx!
Ich habe eine neue und interessante Aufgabe für Sie, die Ihnen sicher Freude machen wird und in das bisherige Einerlei Ihrer Arbeit schöne Abwechslung bringen kann.
Wie Sie wissen, besitze ich ein Clavi-Organum, bei dem die Orgel intakt
ist und vom Klavier das Gehäuse und die Klaviatur vorhanden. Dagegen hat einstmals eine Dame die Mechanik herausgenommen und einen Teil des Resonanzbodens und auch den Hohlraum leergemacht, wahrscheinlich für Toilette-Gegenstände. Ich bitte Sie nun, in dieses Klavier wieder die Mechanik einzubauen. Das Instrument ist englischen Fabrikats und hatte eine englische Hammerklaviermechanik, die Sie ja genau kennen.
Nun erwarb ich noch zu Zeiten meines Bruders das Wrack eines englischen Hammerklaviers mit wahrscheinlich genau der gleichen Mechanik, von dem allerdings nur die Dämpfung fehlt, dagegen alles übrige erhalten ist. Ich sende Ihnen wie unten beschrieben in 2 Kisten die beiden Instrumente und schlage vor, Sie schlachten das Wrack aus und verwenden dazu alles, was Sie für die Neuanfertigung der Mechanik brauchen, denn das Wrack generalzurestaurieren lohnt nicht.
Ausserdem finden Sie beigepackt die Zeichnungen eines Berliner Clavi-
Organums, die uns seinerzeit lediglich zum Vergleich (das Berliner Modell passt nicht!) einmal Hartmann machte. Aber vielleicht können Sie daraus irgendetwas Ihnen nützlich erscheinendes entnehmen. Der Sendung ist beigepackt Leinölfirnis, Spiritus und einiges Nahrhafte. Darunter finden Sie zwei grünliche 1 kg-Konservendosen. In diesen sind konservierte Gänse enthalten. Die Dosen sind aber schon zwei Jahre alt und scheinen mir schon etwas pombiert zu sein. Bitte öffnen Sie die Dosen und prüfen Sie den Inhalt und essen Sie ihn nur, wenn die Dosen noch einwandfrei sind. Ausserdem wegwerfen. Wir konnten die Dosen leider wegen der Transportbeschränkung Ihnen nicht früher senden. Also nochmals bitte Vorsicht!
Leim beizupacken vergeassen wir. Wenn Sie welchen brauchen, senden wir solchen als Päckchen.
Die benötigten Resonanzholzspäne für einen neuen Boden lassen Sie sich am besten von Sippach oder von Schlessiger schicken. Insbesondere Schlessiger dürfte Vorrat haben. Wenn aber Schwierigkeiten entstehen, geben Sie uns die Masse auf und wir senden das Resonanzholz Ihnen direkt. Alle übrigen Materialien, die Sie benötigen, bitte ich bei Häussler anzufordern, der immer noch zufriedenstellend liefert. Die alten Stimmwirbel des Wracks können vielleicht verwendet werden, wenn nicht, geben Sie uns einen Musterwirbel, dann macht mein Mechaniker Häupler die Wirbel aus blankgezogenem Eisendraht, damit sie historisch getreu werden.
Ich danke bestens für Ihren Brief vom 16. d. M. und Ihre Bemühungen bei
Kirchner. Der Vorschlag mit den Federn ist gut und wird befolgt.
Für die Spinetta nehmen wir gemäss Ihrem Vorschlag nunmehr Führungszwischenstifte und ich bitte Sie, sich die Stifte von Häussler kommen zu lassen. Wenn er nicht liefern kann, geben Sie mir die Dimensionen der Stifte an, auch ob rund oder oval, dann besorgen ich sie. Da aber Häussler Ammer beliefert und dieser auch solche Stiftführung macht, dürften kaum Schwierigkeiten in der Belieferung entstehen. Häussler soll uns sein Rechnungen direkt schicken, wenn möglich, über Konto Scholz, was Sie ihm bitte mitteilen wollen. Doch ist dies nicht Bedingung.
Nun zu den Clavichorden:
ich möchte die ganze Frage, wie wir ein neues Clavichord uns endgültig
zurechtlegen, zurückstellen, bis ich wieder gesund bin. Ich bekam wieder meine alte Darmneurose und werde wohl einige Wochen ausser Betrieb
sein und möchte dann erst in der Sammlung verschiedene Vergleiche ziehen. Ihre Anregungen sind mir äusserst wertvoll und ich danke Ihnen herzlich dafür.
Die beiden neuen Nussbaum-Spinette sind sehr schön ausgefallen und insbesonders die geteilte Laute findet allseits Anklang. Wir nehmen also für die drei neuen Spinette Stiftführungen. Casimir können wir Ihnen, wenn benötigt, genügend senden. Wenn Sie die alte Rosette, die grosse wie bei den ersten beiden Instrumenten, wieder machen können, wäre ich dankbar, obwohl auch die kleinere sehr zierlich und hübsch ist.
Nun zum Notenpult: hier ist eine Wortmissdeutung vorgekommen: ich meine mit dem Notenpult nach hinten legen nicht etwa das Pultblatt allein,
sondern das gesamte Pult um 180 Grad drehen, sodass dann automatisch das Pultblatt nach hinten steht. Mein Vorschlag war nicht so
gedacht, dass das Pultblatt allein nach hinten fallen soll, sondern dass das Pultblatt die bei Wiener Flügeln um 1820 - 30 nach vorne fällt und dann das Pult herausgenommen wird und um 180 Grad gedreht wieder
hin eingeschoben. Damit dürften wir nun einig sein: das Blättchen kommt
in die Backen und der Stift oder vielleicht noch besser eine geeignete
Schraube (die wir beistellen können) als Führung in die Pultblatt-Seitenkanten, die notfalls an dieser Stelle etwas verstärkt werden müssten.
Entschuldigen Sie, wenn ich heute nicht weitere Ausführungen mache, aber das Diktieren strengt mich ziemlich an. Ich muss mich ganz ruhig verhalten, damit meine Darmkrämpfe zurückgehen. Keine gefährliche, aber
eine ziemlich schmerzhafte, langwierige und unangenehme Sache.
Der Versand der Kisten erfolgte am 20. d.M. über die ATEGE. Transportgesellschaft Nürnberg an die Filiale dieser Firma in Berlin. Von dort aus wird die Sendung weitergeleitet an Sie gegen Inkasse der Fracht
Berlin-Leipzig bei Ihnen. Sie wollen bitte diesen Betrag verauslagen und uns bekanntgeben. Wir haben die Allgem. Transportgesellschaft ausdrücklich beauftragt, alle anfallenden Kosten von hier bis Berlin und in Berlin uns zu berechnen, sodass Sie lediglich die normalen Frachtkosten Berlin-Leipzig auszulegen haben.
Ich wünsche guten Empfang und bin mit vielen lieben Grüssen von uns
allen // Ihr
Die Kisten sind gezeichnet:
W.R. 155 und W.R. 166".