NL Rück, I, C-0570m

"Lieber Herr Marx!

Ich danke bestens für Ihren Brief vom 11. 8. Die 2 zweichörigen Saiten sind bei diesen früheren Gitarren eingeknotet in den Querriegel, der auf der Decke ist und dieser Ouerriegel hat meistens eine Verlängerung, entweder in Form von Spitzen wie bei Lauten oder in ähnlicher Form wie die Stradivari-Gitarre, von der ich Ihnen die Zeichnung sandte. Es sind also weder Knöpfchen wie bei 6-saitigen Gitarren noch Stifte zum Anhängen, sondern in dem Querriegel, an dem die Seaiten auf der Decke hängen, sind Löcher gebohrt wie bei Lauten, in welche dann die Saiten eingeknotet werden. Die 6 Löcher unter dem Saitenhalter in dessen Verstärkung sind sicher neu, ebenso wie die Befestigungsart mit Steckern. Man wird aber den Saitenanhang doch
losnehmen müssen, ebenso wird man die Schaufel erneuern müssen, wenn
sich nicht beim Abkratzen der schwarzen Farbe doch ergibt, dass die Scha[u]fel mindestens zu einem Teil Original ist. Wenn man die schwarze
Farbe abkratzt, wird sich da zeigen, ob Löcher ausgeflickt vorhanden sind oder nicht. Wenn nicht, ist die Wirbelschaufel neu und muss auch ersetzt werden.

Die im Heyer-Katalog abgebildeten italienischen Gitarren aus dem 17. Jahrhundert haben eingeknotete Saiten. Die Tielke-Gitarre 735 der Heyer-Sammlung hat einen Bezug mit 6 doppelten Darmsaiten, die, soviel aus der Abbildung ersichtlich ist (sie ist nicht sehr scharf) vermutlich auch eingeknotet sind. Die Gitarre 553 der Heyer-Sammlung ist eine französische Arbeit und hat 5 Doppelchöre. Sie würde nach der Tielke zeitlich die nächst älteste sein. Alle danach folgenden Gitarren stammen schon aus dem Ende des 18. Jahrhunderts und können als Vergleichsobjekt nicht mehr herangezogen werden. Es ist nun die Frage, wie man die Decke halbwegs in Ordnung bringt, wenn der moderne Anhang entfernt ist. Der Stil des Anhangs ist meines Erachtens und nach Ansicht des hiesigen Geigenbaumeisters Lang aus dem 20. Jahrhundert. Der Anhang passt also gar nicht zu dem Instrument. Wir müssen uns also über diese Frage noch weiter unterhalten und ich erwarte gerne Ihre Vorschläge.

Wenn die Rundkopfschrauben zu schwach sind, versuche ich stärkere zu
bekommen. Der weisse Filz geht nächsten Donnerstag ab. Scholz ist nämlich in Urlaub, kommt aber nächsten Donnerstag zu mir her, dann lasse ich den Film herrichten, ebenso folgen dann die fehlenden Piloten, die ich tatsächlich vergessen habe.

Ihre Knieschmerzen sind Gicht. Linderungen könnten Ihnen Pistian-Packungen verschaffen. Bei den engen Beziehungen der Ostzone zur Tschechoslowakei müsste eigentlich Pistian-Schlamm in Leipzig zu bekommen sein, andernfalls müsste ich Ihnen solchen senden.

Auch i[ch] stehe auf dem Standpunkt, dass es besser ist, wenn man die 2
Knöpfe für die geteilten Lauten zum Anschrauben macht. Als Flügel-Mechanik-Modell wollte ich ein Modell der ersten Erard-Mechanik aus der Zeit um 1820. Also nicht etwa eine moderne Erard-Mechanik! von dieser Erard-Mechanik von 1820 habe ich Abbildungen und werde Herrn Scholz veranlassen, dass er eine solche Abbildung kopiert. Wir legen sie dann dem Filzstreifen bei. Wir werden auch sicherheitshalber noch die Abbildung vergleichen mit unserem Original-Erard-Flügel von 1840. Ob dieser Änderungen aufweist oder ob Erard auch 1840 die gleiche Mechanik wie um 1820 gebaut hat. Dementsprechend macht dann Herr Scholz eine richtige Zeichnung, aufgrund deren Sie dann das Modell anfertigen wollen.

Ohne mehr für heute, alles Gute und herzliche Grüße von // Ihrem".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1950,08,15
Schreibort
Nürnberg