Sehr geehrter Herr Dr. Rück,
Meine Arbeit im neuen Jahre will ich mit einer Beantwortung Ihres umfangreichen Briefes v. 28. Dezember beginnen!
A) Die Sammlung Salzer in Wien (rotes Notizbuch), deren Hauptstücke jetzt Ingenieur Hutter in Bad Ischl besitzt, hatte in Sammlerkreisen guten Ruf, da sich Salzer - genau so wie [Fritz] Wildhagen in Berlin - nur auf Qualitätsstücke beschränkte.
1) Theorbe von Greiff, Ingolstadt (Jahreszahl 1641 !) [MIR901]. Die Decken sind bei alten Lauten und Theorben infolge ihrer starken Abnutzung sehr häufig erneuert; originale Decken dürften daher nur noch ziemlich selten anzutreffen seine. Gut erhaltene Theorben waren stets sehr selten und wurden in der Vorkriegszeit mit 1000-1200, auch bis zu 1500 Mark bewertet; der heutige Preis beträgt etwa die Hälfte, also ca. 600-750 Mark.
Das stärkere Angebot erklärt sich wohl dadurch, dass grade in Wien alte Lauten immer - auch von Malern wie Markart und Amerling zur Ausstattung ihrer Ateliers - mit Vorliebe gesammelt wurden. Haben Sie dort übrigens von der Sammlung eines Malers namens Ysepp etwas gehört? Er besass noch vor etwa 10 Jahren eine ganz hervorragende Sammlung von Lauten und andern [sic] Zupfinstrumenten.
2) Knickhalslaute: die Zettelinschrift ist lehrreich; die Erbauer waren anscheinend Nachkommen (Enkel?) und Titelerben von Martin Kaiser; siehe Lütgendorff II [1922a und b], S. 245, auch S. 244: "Mathias Ka..., Düsseldorf." Da die Laute der Spätzeit angehört und ziemlich reparaturbedürftig ist, erscheint sie wenig verlockend. (Verzichten!) Schätzung: ca. 250 - 300 Mark
3) Eine regelrechte Oktavlaute [MIR876]; als Typ sehr selten und interessant! Empfehlenswert, zumal im Orig.-Zustand und von Bachs Freund Joh. Christian Hoffmann in Leipzig. Wert: bis zu 250 Mark.
4) Viola d'amore: durch die Elfenbein-Ornamentik auf dem Boden dekorativ wirkend, durch die schlechte Decke allerdings beeinträchtigt ca. 300 Mark.
Unbedingt vorzuziehen wäre aber die ganz ähnliche Liebegeige auf der kl. Photographie Taborsky (neben der fraglichen Theorbe) - vielleicht eine Tielke-Arbeit? (Saitenhalter mit Blume!) Evtl. zur Ansicht erbitten; Schätzung: bis 500 Mark.
5) Chitarra battente: hübsches, reizvolles Exemplar. ca. 200-250 M.
6) Gitarre: nicht sonderlich empfehlenswert, da ähnliche Exemplare wohl bereits vorhanden.
7) Mandolone: sehr zu empfehlen, falls noch nicht vertreten! Selten. ca. 250 Mark.
8) Mandoline [evtl. MIR887]: ebenfalls zu empfehlen, wenn noch keine Vinaccia-Mandoline vorhanden sein sollte. (Gennaro und sein Bruder Antonio V. sind die Hauptmeister im Mandolinenbau.) 150 Mark.
B [Wittmann Wien]: Viola d'amore von Eberle, Prag (Hauptmeister für Liebesgeigen!)
Da offenbar ein sehr gutes Exemplar, evtl. in Betracht kommend. Verlangt 700 M; Schätzung bezw. Gegenvorschlag: 400-450 Mark. - Chitarra battente 1795 (200 M), Vorschlag: ca. 125 M; auf das unsignierte 2. Exemplar verzichten. Signierungen kommen bei diesen Wölbgitarren nur sehr selten vor.
C: Theorbe von Michael Albanus, Graz. (Lauteninstrurnente von ihm sind bei Lütgendorff [1922a und b] nicht nachgewiesen.) Schätzung: 5-600 Mark. Da Sie aber eine Hoffmann'sche Theorbe [MIR904] bereits besitzen, käme evtl. nur noch ein älteres Exemplar (Salzer-Hutter Nr. 1 !) in Frage.
D: Theorbe von W. Tiefenbrucker [Halle, Inv.-Nr. MS-168]. Die Marke W. T. mit Anker findet sich auch bei der Theorbe Wien Nr. 46, s. S. 56 in Schlossers Katalog [1920]. Das Instrument ist ohne Frage von [Sebastian] Schelle in Nürnberg umgearbeitet, d. h. den Ansprüchen der neueren Zeit angepasst. 1500 Schilling (900 Mark) ist für heutige Verhältnisse aber zu teuer; Höchstgrenze wäre 600 Mark.
E) Theorbe Taborsky; auch schon wegen der abweichenden Korpusform verdächtig; das ganze Instrument möglicherweise eine moderne Fälschung? Nur an Hand der Photographie nicht mit Sicherheit zu beurteilen! Kommt wohl nicht in engere Wahl.
F) Erard-Klavier (Feigl); vielleicht zu erwägen, falls zu einem 'vernünftigen' Preise zu haben, da der Name Erard in einer Klaviersammlung vertreten sein müsste. Schätzung: ca. 300 Mark; der verlangte Preis ist völlig indiskutabel.
G) Empireflügel (Czapka). Den Namen des Erbauers Rosenberger fand ich nur bei Chr. Fr. G. Thon, 'Abhandlung über Klavier-Saiteninstrumente' (1817 u. 2. Auflage, 1825); er war jedenfalls ein nur unbedeutender Wiener Klavierbauer. Zeitbestimmung des Flügels (1790er Jahre) könnte u. U. zutreffen, wofür auch der geringe Umfang und die Ausstattung der Tastatur sprächen. Die Ausstattung in Mahagoni mit Bronzebeschlägen war damals eine spezielle Wiener Mode - wie es auch Robert Schmidt in seiner Monographie 'Möbel. Ein Handbuch für Sammler und Liebhaber' erwähnt: 'Als ein Zentrum für das südöstliche Deutschland ist Wien anzusehen, wo in adligem und bürgerlichem Besitz sehr geschmackvoll und sauber gearbeitete Möbel aus jener Zeit erhalten sind, die fast durchweg Mahagonifurnier und sehr gut ziselierte Bronzebeschläge zeigen, wie sie in dieser Güte anderswo in Deutschland kaum hergestellt worden sind. Ein gutes Beispiel dieses Wiener Zopfstils ist der Uhrschrank in Abbildg. 171' (Mahagonischrank mit eingebauter Flötenuhr, Wiener Arbeit vom Ende des 18. Jahrhunderts, im Berliner Kunstgewerbe- bezw. Schloss-Museum.) NB. Die Bezeichnung 'Empirestil' ist für derartige Möbel und Klaviere eigentlich nicht zutreffend, da dieser als Weiterbildung des Zopfstils (klassizistischen Stils oder Louis seize-Stils) erst in der Kaiserzeit Napoléons aufkam.
Die Mozart-Aufschrift ist aber trotzdem mindestens sehr verdächtig, denn grade mit dem Namen Mozarts ist bei Klavieren viel Missbrauch getrieben worden. Selbst wenn die Inschrift echt, d. h. eigenhändig wäre, was sich durch eine Photographie leicht feststellen liesse, bleibt immer noch die Möglichkeit, dass sie - wie ich fast annehmen möchte - später aufgeklebt worden sei, um aus dem Instrument eine "Reliquie" zu machen. Lassen Sie sich evtl. zunächst die vorhandenen Briefe und Dokumente zur Ansicht kommen!
Das grosse Hackebrett (Angebot [Anton] Wittmann [in Wien]) ist ein italienisches 'Salterio' und anscheinend ein schönes, seltenes Stück. (Vgl. die Abbildung des schönen Salterio Nr. 688 im Heyer-Katalog II [Kinsky 1912], S. 297 [heute Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig].) Wert: bis zu 250 M, wird wohl aber billiger zu haben sein.
Dass sich unsere Vermutung betreffs des Hofmann-Flügels bestätigen würde und die Echtheit der Jahreszahl 1782 mehr als fraglich ist, hatte ich von Anfang an angenommen.
Schade, dass der Hammerflügel in Schweinfurt [Bonn, Hammerflügel Heubeck] nicht von Hubert ist und Herr [Adolf] Paulus, der von alten Klavieren sicher nicht viel versteht, uns dadurch eine schwere Enttäuschung bereitet hat. Haben Sie ihm bereits hierüber geschrieben?
Wegen Vidal [1876] werde ich morgen bei Lengfelds [Lengfeld'sche Buchhandlung] nachfragen, glaube aber, dass dies begehrte Werk bereits verkauft ist.
Für meine heutigen, viel Zeit beanspruchenden Auskünfte wollen Sie mir gefl. 25 Mark bewilligen, so dass mein Guthaben (einschliessl. der Porti c. 9 M beträgt. Es sieht bei mir leider nach wie vor recht trübe aus, und ich wäre Ihnen daher wiederum für eine Vorschuss-Anweisung von 25 oder 30 M, auf die ja dann die Auskünfte über die in Aussicht gestellten weiteren Angebote verrechnet werden könnten, zu grossem Dank verpflichtet! [Markierung des letzten Satzes am Rand.]
Hoffentlich beschert uns das neue Jahr bald rosigere Zeiten!
In diesem Sinne mit besten auch an Ihren w. Herrn Bruder [Hans Rück] // [handschriftlich] Ihr Dr. G. Kinsky
[handschriftlich] Die alte große (Salzer-)Photographie folgt bei nächster Gelegenheit zurück."