NL Rück, I, C-0444e

"Lieber Herr Dr. Rück,

Gestern Abend 1/2 11 Uhr bin ich programmgemäß und wohlbehalten wieder in Köln eingetroffen und möchte vor allen Dingen nicht verfehlen, Ihnen und Ihrem l. Herrn Bruder Hans für die überaus liebenswürdige und gastfreie Aufnahme in Ihrem schönen (und mit allem Komfort ausgestatteten) Heim auch auf diesem Wege meinen herzlichsten Dank auszusprechen! Die in Nürnberg verlebten Tage haben mir in jeder Hinsicht sehr wohl getan - nicht nur aus persönlichen, sondern auch aus sachlichen Gründen, da sie mir - wie ich Ihnen schon sagte - nach neun Jahren zum ersten Male wieder die willkommene Gelegenheit boten, in persönlichen Kontakt mit den alten Instrumenten zu kommen ... [Kinsky bezieht sich auf den Kontakt zwischen Wilhelm Rück und Wilhelm Heyer.] Hoffentlich könnnen wir diesen Kontakt bald und vielleicht noch ausgiebiger als jetzt erneuern!

Für heute zunächst nur ein Bericht über die Frankfurter Exkursion. Der Prunkflügel aus Schloß Sanssouci ist - wie wir schon vermuteten - 'Edelkitsch' aus der an und für sich ziemlich unerquicklichen Ära um die Mitte des 19. Jahrhunderts: Klaviatur sehr reich mit Perlmutter- und Schildpatt belegt, Messing-Renaissance-Ornamentintarsien um die Gehäuseränder etc. Der Preis, den der Besitzer verlangt, ist einfach indiskutabel. Davon ist auch Herr Nold überzeugt, und das Vernünftigste, was er tun kann (u. auch tun wird), ist, dies Monstrum von Instrument dem Eigentümer wieder zur Verfügung zu stellen.

Der Streicherflügel [MIR1118] war nicht im Magazin, sondern stand noch in der Privatwohnung des Besitzers in Sachsenhausen (am Bahnhof Frankfurt-Süd), wohin ich mit dem Techniker per Straßenbahn gefahren bin. Befund: genau wie Heyer Nr. 202 in allen Einzelheiten; Erhaltung überraschend gut, so daß in diesem Falle die Instandsetzungskosten nicht besonders ins Gewicht fallen. Der Flügel ist zwar z. Zt., da er schon seit langen Jahren nicht mehr benutzt und gepflegt worden ist, arg verstimmt und muß neu poliert werden; Mechanik und sonstige 'Eingeweide' (nach der Terminologie des Geheimrats Zimmermann!) sind aber recht gut instand, so daß ein ankauf nur zu empfehlen wäre. Wie diese oberschlägigen Streicherflügel klingen, wissen Sie ja; es ist der große, pastore Beethovenklang, der dem modernen Flügelklang schon recht nahe kommt.

Der Sachverhalt ist so, daß der Besitzer von Herrn Nold ein neues Pianino kaufen will und den Streicherflügel dabei in Zahlung gegeben werden soll. In Anbetracht der guten Erhaltung glaubte ich einen Preis von 250 M verantworten zu können (Nold sprach von c. 400 M); er will auf dieser Basis (250 M) mit dem Besitzer verhandeln und Ihnen dann direkten Bescheid geben. Korrespondenz und Fragebogen beiliegend.

Das 'Orpheus'-Blatt folgt nächster Tage; einstweilen sende ich Ihnen zur 'Abrundung' unseres Tausches 4 kleinere Blätter: 2 Orig.-Wappenholzschnitte von Jost Amman (wohl aus dem 'Wappen- und Stammbuch' von 1589), ein Aquatintablatt nach Caspar Netscher 1664 und einen französ. kolorierten Stich mit einer Dame am Tafelklavier.

Mit nochmaligem herzlichen Dank und bestenalllseitigen Grüßen (auch an Herrn Hans Rück, Herrn [Hugo] Haidt, Frl. Luise [Weigand] (die treffliche Kochkünstlerin) usw. // Ihr getreuer // G. Kinsky

Weitere Mitteilungen in den nächsten Tagen, sobald die hier vorgefundene reichliche Post aufgearbeitet ist."

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1935,06,02
Schreibort
Köln
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Kontaktinstitution
Besitzer(in) Musikinstrument(e)
erwähnte Ereignisse
Typ des Ereignisses
Angebot Musikinstrument(e)
Involviertes Objekt
Hammerflügel mit oberschlägiger Mechanik
Angebotspreis
Wert von
400
Wert bis
400
Währung
RM
Frankfurt/Main
1935,06
Typ des Ereignisses
Gutachten
Gutachten Marktwert
Involviertes Objekt
Hammerflügel mit oberschlägiger Mechanik
Marktwert
Wert von
250
Wert bis
250
Währung
RM
Involvierte Person
Köln
1935,06
Literaturreferenz
Orpheus-Blatt ????