"Sehr geehrter Herr Dr. Rück,
Nach meinen Notizen sagte mir Wennerscheid [Berlin-Bonn, Antiquariat], dass sein kleines Positiv [MIR1023] aus einer schlesischen Kirche stamme; demnach könnte das Monogramm auf der Innenseite des Deckels sich vielleicht auf den Stifter oder den späteren Spender des Instruments beziehen. Die ornamentalen Schnitzereien der Deckelfüllung zeigen typische Barockformen; Zeitbestimmung daher 17./18. Jahrhundert oder 'um 1700'. Eine genauere Bestimmung - ob noch zweite Hälfte des 17. oder Anfang bezw. erste Hälfte des 18. Jahrhunderts - ist bei dem langen Vorherrschen des Barockstils kaum möglich. Möglich ist ja aber, dass sich im Innern - manchmal an versteckter Stelle! - noch eine Signatur mit der Jahreszahl vorfindet; dies würde sich ja bei der Reparatur herausstellen. Sollte es der Fall sein, könnte vielleicht das Buch 'Der Orgelbau in Schlesien' von L. Burgemeister [1925] näheren Aufschluss über den Erbauer geben.
Als Preis nannte mir Wennerscheid s. Zt. 500 M - am 30. Januar verlangt er von Ihnen 380 und am 18.II. 'nicht unter 450 M'! Dazu kommt, dass er die Reparaturkosten nur mit 20 M ansetzt, also ganz bedeutend unterschätzt, während sich der Kostenanschlag der Firma [Potsdam, Alexander] Schuke auf nicht weniger als 315 M beläuft. Selbst bei einem Ankaufspreis von 350 M würden sich die Gesamtkosten dann auf 665 M stellen, und dieser Betrag erscheint mir für das kleine Orgelwerk viel zu hoch. (Eine nur oberflächliche Flickreparatur wäre aber auch nicht anzuraten.) Derartige Positive kommen zwar gewiss nicht häufig vor, sind aber auch nicht derart selten, dass man unbedingt zugreifen müsste. Einschliesslich der Reparaturkosten wären meiner Ansicht nach etwa 500 M der Höchstpreis, den man dafür anlegen könnte, d. h. also W. müsste sich mit 300 M begnügen, und die spielfertige Instandsetzung dürfte nicht mehr als 200 M beanspruchen. Da beides aber wohl kaum zu erreichen sein wird, würde ich an Ihrer Stelle auf das Stück verzichten - ein 'Unikum' ist es keinesfalls!
Die Viola pomposa Wilfers [Leipzig, Privatbesitz Albin Wilfer] habe ich nicht selbst gesehen, sondern mich auf seine Mitteilungen verlassen, wonach das Instrument noch durchaus im Originalzustand erhalten sei. Die der Violine entsprechende geringe Zargenhöhe hat mich allerdings von Anfang an stutzig gemacht, so dass ich Ihrer Ansicht beistimmen möchte, dass die Zargen irgendwie verkürzt worden seien. - Die Maßangaben des Prager Instruments scheinen mir für eine echte Viola pomposa zu sprechen, währen[d] Heyer [Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig] Nr. 918, 919 u. 921 mit ihrer Zargenhöhe von ca. 8 cm wohl als 'Violoncelli piccoli' zu betrachten sind. Es ist zu bedauern, dass die Signierung der Prager Viola nicht mehr festzustellen ist - zeigt sie denn äusserlich und in der Lackierung irgendwelche Merkmale [Johann Christian] Hoffmann'scher Arbeit?
Wenn Sie mir aus bekannten Gründen (einschliesslich meines Guthabens von M 7.25) wieder einen 20 Mark-Schein zukommen lassen könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar!
Mit besten Grüssen auch an Ihren w. Herrn Bruder [Hans Rück] // Ihr sehr ergebener // [handschriftlich] Dr. G. Kinsky".