[Unterstreichungen teilweise von zweiter Hand in verschiedenen Farben.]
"Liebe Herren Rück,
Nachstehend folgt die Beantwortung Ihrer w. Anfragen v. 11.:
1) Tangentenflügel: Schon wegen des kleinen Modells und der Ausstattung in Kirschholz wohl kaum ein Instrument von Späth & Schmahl, sondern eher ein zeitgenössischer Nachbau eines Gehilfen der Regensburger Meister (vgl. die Angaben über Käferle und Bühler auf S. 24 u. 25 in H. Herrmanns Dissertation [1928]). Selten wie alle Tangentenflügel, deren Bedeutung für die damalige Musikpflege aber m. E. nicht so erheblich war wie sie Herrmann schildert und von ihm wohl überschätzt wird. - Preis: in Anbetracht der hohen Reparaturkosten nicht mehr als ca. 200 M.
2) Hammerflügel (unsigniert): Wahrscheinlich einem Klavierbauer aus der Schule Joh. Andreas Steins zuzuschreiben, wofür auch die Holzringe anstatt der Hammerköpfe sprechen. Empfehlenswert, da der Flügel als Instrument der Haydn-Mozart-Zeit zu verwenden wäre. Preis: 300-350 M.
3) Tafel-Pianino von Pfister. Falls die Bronzebeschläge echt und keine spätere Zutat sind, historisch wertvoll als frühes deutsches Pianino der Empirezeit. (Zeit: um 1820-25.) Jacob Pfister starb Anfang 1838; Nachfolger sein Neffe Martin Pf., 1798-1866. Urteil über Jacob Pf. im 'Journal des Luxus und der Moden' 1805, S. 105: 'Herr Pfister hat noch immer vollauf Pianofortes zu machen fürs Ausland und für Einheimische; der treffliche Arbeiter verdient alle Ermunterung. Seine Instrumente gehören unter die besten und schönsten.' Ein Pianino ist in meinen Notizen nicht verzeichnet also sicher eine Seltenheit. (Ein Hammerflügel im Luitpold-Museum in Würzburg, ein Tafelklavier v. 1800 aus dem Besitze der Firma Pf. jetzt im Deutschen Museum zu München.) Schätzung: ca. 150-200 M. Evtl. aber entbehrlich, sofern das Instrument dem Tafelpianino von Biber in Ihrer Sammlung ähnlich sein sollte.
4) Radleier. Die Angaben im Heyer-Katalog I [Kinsky 1910], S. 375 stimmen mit Mahillons Angaben im Brüssler Katalog I [Mahillon 1893], 335 überein. Demnach waren Trompette und Mouche hinter der Tastatur und die beiden Bourdons vor derselben angeordnet. Diese Anordnung war die übliche; doch mögen auch Abweichungen bei einzelnen Instrumenten vorgekommen sein. - Balfoorts ziemlich dilettantisches Buch [1932] enthält viele, z. T. hanebüchene Irrtümer und darf daher nur mit Vorsicht benutzt werden. Die Quellenangaben hat er vielfach mißverstanden. So schreibt er z. B. auf S. 29 bei der Drehleier: '... ein Manuskript, das ein gewisser Gerbert im 13. Jahrhundert veröffentlicht hat.' Dieser 'gewisse' Gerbert ist der jedem Musikforscher wohlbekannte Fürstabt Martin Gerbert, der im 18. Jahrhundert gelebt und das erwähnte Manuskript 1784 in seinem grossen Werke 'De cantu et musica sacra' mitgeteilt hat. Von ähnlichen Kostproben lassen sich mehr als ein Dutzend anführen. - Die alten Quellenschrift über die 'Vielle' von Corrette, Terrasson etc. und das Tafelwerk 'Lutherie' aus der grossen Pariser 'Encyclopédie' besitze ich leider nicht bezw. nicht mehr. Eine gute Darstellung über die Radleier als Mode-Instrument des 18. Jahrhunderts bietet das brauchbare Heft 'Die Ahnen moderner Musikinstrumente' von H. M. Schletterer [1882]. Ich habe dasselbe zufälligdoppelt und überlasse Ihnen gern das 2. Exemplar zum Preise von M .-60. Sollte es in Ihrer Bücherei bereits vorhanden sein, bitte um gelegentliche Rücksendung.
5) Pochette von Alberti (vgl. Heyer Nr. 720). Sehr selten wie alle Tanzmeistergeigen aus dem 17. Jahrhundert. Wert (da Wirbelkasten und Kopf ergänzt): ca. 100 M; evtl. auch billiger, je nach Angebot.
Meine heutige Liquidation für diese 5 Auskünfte beträgt 10 M. Beifolgend eine Abrechnung, die mit M 6.75 zu meinen Gunsten abschliesst. Wenn es Ihnen möglich wäre, mir ausserdem M 13.25 als Vorschuss, zusammen also M 20frdl. zu übersenden, wäre ich aus bekannten Gründen wiederum sehr dankbar.
Mit besten Grüssen // Ihr stets ergebener // [handschriftlich] Dr. G. Kinsky"
Handschriftliche Ergänzung zu den 20 RM in roter Handschrift von Hans Rück: "siehe B[rie]f. v. 18.I. Beilage M 20.-".