"Sehr geehrter Herr Dr. Rück,
Die Rechnung an Mr. [Adam] Carse habe ich heute abgesandt (Dublikat und Durchschlag beiliegend) und für die 5 Mark Spesen 8 Schilling angesetzt. Ich habe ihn ersucht, den Betrag von £ 3/18/- in einem Bankscheck direkt an Ihr Haus zu überweisen und ihm auch mitgeteilt, dass die Firma [Pianohaus] Rück ihm eine der gesuchten Nürnberger Trompeten zum Preise von £ 4/8/- (das wären ca. 56 Mark) liefern könnte. Evtl. machen Sie ihm bitte ein direktes Angebot (in deutscher Sprache) mit kurzer Beschreibung des abzugebenden Instruments.
Gewiss haben Sie Recht, dass ein Originalzinken aus dem 17. Jahrhundert u. U. auch mehr als 100 M wert ist und man auch bis zu 150 M dafür geben könnte. Aber bei den heutigen Verhältnissen halte ich 100 M für angemessen, zumal es ja nur wenige Sammler für Blasinstrumente gibt und fast alle Museen mit Zinken reichlich versehen sind.
Die Heyer'schen Ansatzpreise sind durchaus nicht irgendwie maßgebend! Ich glaube, Ihnen bereits früher einmal geschrieben zu haben, dass Herr [Wilhelm] Heyer für die gesamte Sammlung [Paul] de Wits 310.000 M bezahlt hat und dann diesen Kaufpreis mehr nach Gutdünken und quasi 'aus dem Handgelenk' auf die einzelnen Stücke und Nummern des Katalogs verteilt hat. Da Heyer die einzelnen Stücke und Nummern des Katalogs verteilt hat. Da Heyer damals noch im Anfang seiner Sammeltätigkeit stand und noch nicht über genügend Erfahrung und Kenntnisse der Seltenheit usw. verfügte, haben diese häufig viel zu hoch oder zu niedrig bemessenen Ansatzpreise als Grundlage für Schätzungen - wie ich mich durch manchen Stichproben überzeugen konnte - nur sehr bedingte Geltung. - Die betreff. Preise lauten (Nummern nach dem de Wit-Katalog 1904):
Engl. Horn Nr. 374: 400.-, Nr. 375: 400, Nr. 376-379: je 300 M. Krumme Zinken Nr. 569-573: zusammen 850 M.
Betreffs der Benennnung 'Oboe da caccia': Es gab Altoboen (in F) in gerader und (mehr oder minder stark) gekrümmter Form; beide Typen mit Liebesfuss. Sie waren [gesperrt] neben einander im Gebrauch (s. die Abbildung auf S. 123 im Katalog de Wit). Auf S. 126 ist bei Nr. 374 - die Beschreibung stammt von dem guten Sachkenner Wilhelm Altenburg - erwähnt, dass der Name 'Hautbois de Chasse' auf die Krümmung der Röhre zurückzuführen sei. Dies ist auch meine Ansicht, da die an das Jagdhorn erinnernde Biegung der Röhre die einzige Erklärung für die Bezeichnung 'de chasse' bezw. 'da caccia' ist, denn für Jagdzwecke sind diese Oboeninstrumente nie gebraucht worden; ihrer Klangfarbe wegen waren sie hierzu ja auch ganz ungeeignet. Sie waren die unmittelbaren Vorläufer des 'Englisch Horn'. (Eine genaue Feststellung, wann dieser neue Namen aufkam und welche Beziehungen zu England hier mitsprechen, ist bisher nicht geglückt.) Alle frühen und primitiven gekrümmten Altoboen mit 2-3 Klappen dürften somit die eigentlichen 'Oboi da caccia' gewesen sein - eine Benennung, die dann auch auf die geraden Altoboen überging, obwohl sich hier der Zusatz 'da caccia' nicht mit der Form des Instruments deckt. - Schade, dass der 3. Band des grossen Heyer-Katalogs [Kinsky 1910 und 1912] nicht gedruckt werden konnte und meine diesbezügl. Forschungsergebnisse zur Geschichte der Blasinstrumente unveröffentlicht geblieben sind!
Mit freundlichen Grüssen // Ihr sehr ergebener // [handschriftlich] Dr. G. Kinsky".