Lieber Herr Dr. Rück,
Besten Dank für die a Conto übersandten 20 M!
Die von Ihnen erworbenen Nr. 6 [Berlin, Tenorgeige (2), sechssaitig] und 7 [Berlin, Tenorgeige (3)] in [Fritz] Wildhagens Verzeichnis wären wohl beide als "Tenorgeigen" zu bezeichnen, wenn auch die Korpuslängen und Zargenhöhen - wie es häufiger vorkommt - um einige Centimeter differieren. Vielleicht ist Nr. 7 damals auf besondere Bestellung zur Erzielung grösserer Tonfülle besonders hochzargig gebaut worden. - Die Bezeichnung 'Viola da spalla' ist mehrdeutig und noch nicht genügend geklärt - jedenfalls war es aber eine kleinere Abart des Violoncells und nicht mit letzterem identisch.
Das Angebot der Viola pomposa, aus Prag [evtl. MIR836] (Dr. Emil Vogl) scheint mir sehr beachtenswert! Wahrscheinlich habe ich Ihnen schon früher meine 1931 in der 'Zeitschrift für Musikwissenschaft' erschienenen Aufsätze über die Viola pomposa geschickt [Kinsky 1931 a und b]. Da ich aber noch einige Sonderdrucke übrig habe, sende ich sie Ihnen nochmals zu und weise Sie besonders auf die Maßangaben über das Instrument im Besitze von Albert [recte: Albin?] Wilfer in Leipzig hin, das bisher als die einzige wirklich echte Viola pomposa galt.
Bei einem Vergleich beider Instrumente ergeben sich folgende, an sich nur wenig belangreiche Abweichungen:
Gesamtlänge: Wilfer (W) 76,3, Vogl (V) 75 cm
Korpus- bezw. Bodenlänge: 45,5, V 45 cm.
Obere Breite: W 21, V 23,8 cm.
Untere Breite: W 27, V 29,6 cm.
Klingende Saitenlänge (Mensur): W 41,5, V 41 cm.
Zargenhöhe: W 3,8, V 5,5 cm.
Die grössere Breite und Zargenhöhe bei V sind besonders wichtig, da sie eine Bestätigung der alten Quellenangaben (Forkel und Gerber) über die Pomposa bieten. Nur schade, dass Vogls Exemplar keine Signatur aufweist, während Wilfers Viola den Hoffmann'schen Originalzettel von Hoffmann (1732) enthält.
Wenn nun - was ja wohl zutreffend sein wird - der Wirbelkasten bei V noch der ursprüngliche, also für 5saitigen Bezug eingerichtet ist, so ist dies ohne Frage eine zweiteechte Viola pomposa, wie sie noch in keinem Museum nachweisbar ist, da alle bisher so bezeichneten Instrumente sog. 'Violoncelli piccoli' sind! Da auch der Erhaltungszustand nach Dr. V.s Versicherung ausgezeichnet ist, wäre ein Ankauf nur zu empfehlen, zumal Wilfer sein Exemplar wohl nicht hergeben wird. Preisvorschlag: 5-600 Mark.
(Ob Vogl vielleicht weit höhere Erwartungen hegt, kann ich natürlich nicht wissen!)
Meine heutige Liquidation beträgt 10 M.
Mit besten Grüssen // Ihr sehr ergebener // [handschriftlich] Dr. G. Kinsky".