Handschriftliche Zusammenstellung Georg Kinskys für Ulrich Rück, Anlage zu Brief gleichen Datums. Auch als Abschrift (Typoskriptdurchschlag) vorhanden, wahrscheinlich durch Ulrich Rück angefertigt, siehe Überschrift der Abschrift: "Bericht des Herrn Dr. Kinsky - Köln an Hans und Dr. Ulrich Rück, Nürnberg, über seine Feststellungen betreffs Pedal-Cembali´".
Übertragung der Handschrift:
"Zu Joh. Seb. Bach:
In seiner bekannten Schrift über Bach's Leben, Kunst und Kunstwerke (Lpz. 1802) führt J. N. Forkel als 'die besten Orgelcompositionen' an: (S. 59) '1) Große Präludien und Fugen mit obligatem Pedal... (S. 60) 'Zu diesen setze ich noch eine sehr kunstreich gearbeitete Passacaglia (c-moll), die aber mehr für zwei Claviere und Pedal als für die Orgel ist.' Auf diese Stelle gründet sich die Annahme, dass die grosse Passacaglia nicht für die Orgel, sondern für ein Pedalklavier (-Clavichord oder -Cembalo) geschrieben sei. Dieser Ansicht ist auch A. Schweizer; er schreibt (S. 258): 'Auch die Passacaglia ist in erster Linie für das Cembalo mit Pedal und erst in zweiter Linie für die Orgel geschrieben' - muss aber hinzusetzen: 'Freilich ist sie durch ihren polyphonen Aufbau so für die Orgel geeignet, dass wir es heute kaum mehr verstehen, wie man es wagen konnte, sie auf einem Saiteninstrument auszuführen.'
Meiner Ansicht nach ist Forkels und Schweitzers Annahme nicht beizupflichten: die ganze Struktur des Werkes ist durchaus orgelmäßig! Schon das wuchtige Thema beweist es:
[Notenbeispiel siehe Digitalisat]
Auf einem Saitenpedal würden die lang auszuhaltenden halben Noten rasch verklingen und dadurch das ganze pathetische Thema an Wirkung einbüßen. Schweitzers Ausspruch wäre also dahin zu berichtigen, daß das Stück für die Orgel geschrieben und gedacht ist, als Notbehelf (beim häuslichen Musizieren) aber auch auf dem Pedalflügel gespielt werden kann.
Die sechs Triosonaten führt Forkel (S. 60 Nr. 3) ebenfalls unter den Orgelkompositionen an und erwähnt: 'Bach hat sie für seinen ältesten Sohn, Wilh. Friedemann, aufgesetzt, welcher sich damit zu dem großen Orgelspieler vorbereiten mußte, der er nachher geworden ist.' Schweitzer sagt (S. 256): 'Eigentlich ist es falsch, von Orgelsonaten Bach's zu reden. Die beiden Handschriften, die sie uns überliefern ... besagen, daß es sich um Werke für das Klavizimbel mit zwei Klavieren und Pedal handelte.' (Fußt auf Spitta II, 691.) Der genaue Titelwortlaut des Autographs ist mir nicht bekannt, da ich Bd. XV der Gesamtausgabe (s. Spitta II, 692 Anm. 178) nicht zur Hand habe. Falls die Ueberschrift 'a 2 Clav: e Pedale' lautete, so wäre diese Formulierung kein Beweis für Pedalklaviere, sondern für die Orgel, da mit dieser Bezeichnung zu Bachs Zeit stets die Orgel gemeint ist. Belege aus Bach'schen Autographen: die Ueberschrift der kanonischen Veränderungen über 'Vom Himmel hoch...' ('à 2 Clav: et Pedal', s. Bl. 141 in Kretzschmars Handschriftenband, Bd. 44 der G.-A.), weiterhin des Vivaldi'schen Orgelkonzerts d-moll 'Concerto a 2 Clav: e Pedale' (Faks.: Bach-Jahrbuch 1911, Beilage zu S. 24) mit den Registrierungsangaben für die Orgel (usw.) Andere Beispiele bei J. L. Krebs, Homilius, in einem Briefe Carl Philipp Emanuel Bachs (21.I.1786 an Eschenburg (s. Nohls 'Musikerbriefe' S. XLIX): '... hat Händel je (Orgel)-Trios mit 2 Manualen und Pedal gemacht?.-');; 4.IV.1803 in einem Briefe Forkels an Hoffmeister & Kühnel: 'Orgelwerke hat man von Händel gar nicht, ausgenommen einige Trios für 2 Claviere und Pedal ...') etc.
Allerdings zeigen die 6 Orgelsonaten Bachs (im Gegensatz zur Passacaglia!) eine mehr klavieristische Anlage. Sie waren eben, wie es auch Forkel bestätigt, für Friedemann zur Uebung im Trio- und Pedalspiel bestimmt - d.h. sie sollten von ihm zuerst an einem der häuslichen Pedalklaviere eingeübt und erst später - bei genügender Beherrschung - auf der Orgel gespielt werden. Einzelne Sätze sind ja auch von Bach selbst für die Orgel verwendet worden (vgl. Schweitzer, S. 256/57.)
Daß Bach Pedalklaviere besessen hat, unterliegt keiner Frage, zumal damals Pedalclavichorde (wie Nr. 23 der Heyersammlung) bei den deutschen Organisten als Uebungsinstrumente vielfach im Gebrauch waren. (Nachweise weiterer derartiger Instrumente s.: Heyer-Katalog I, 45 Anm. 2. Auch im Deutschen Museum zu Münchn ist ein Pedalclavichord; Erbauer: Glück, Stiftung C.A. Pfeiffer-Stuttgart 1912.) - Forkel erwähnt S. 17 bei Bachs Kunst des Extemporierens: 'Zu solchen Künsten bediente er sich zweyer Claviere und des Pedals (d.h. hier eines Pedalclavichords), oder eines mit einem Pedal versehenen Doppelflügels' (d.h. eines Pedalcembalos). In Bachs Nachlaßverzeichnis kommt zwar kein derartiges Pedalklavier vor. Das ist aber darauf zurückzuführen, daß er schon zu seinen Lebzeiten seinem jüngsten Sohne Johann Christian '3 Claviere nebst Pedal' geschenkt hat (Spitta II, 968), nach Buchmayers Vermutung (Bach-Jahrbuch 1908, S. 76), 'die volle Ausrüstung eines Klavierspielers', d.h. ein Clavichord, (ein Spinett), ein Cembalo und ein weiteres Klavier (Cembalo oder Clavichord) mit zugehörigem Pedal.'
Belege aus der Literatur: Hofkapellmeister Franz Biber kaufte 1689 ein 'Pedal-Instrument' um 17 Gulden für die Salzburger Hofkapelle (s. Jahresbericht 1858 des Museums Carolino-Augusteum Salzburg; (Zeitschr. f. Instr.bau XI, 190.) - * J. Adlung, 'Anleitung zu der musikal. Gelahrtheit', Erfurt 1758, S. 556: 'Man macht auch Pedale an solche Werke (Flügel); oder, welches besser, man macht besondere Pedalkörper und setzt den Flügel darauf ...' u.s.w. In der Anmerkung m: Beschreibung und Registrierung eines schönen Clavecin mit untergesetztem Clavicymbelpedal, das Bürgermeister Vogler in Weimar sich nach eigener Disposition hatte bauen lassen. (Schon mit Eisenverspreizung! (Abschrift auf Wunsch, falls das Buch von Adlung dort nicht vorhanden sein sollte!)
Musikalischer Beleg für Pedalcembalo: Sonate von Antonio Gaetano Pompani, enthalten in der 1. Sammlung von J. U. Haffner 'Raccolta musicale', Nürnberg (1756). (N.B. Von mir noch nicht nachgeprüft!) Fandorte (lt. Eitner IV, 473): München Staatsbibl.; Leipzig, Stadtbibl.
Erhaltene Instrumente:
1) Ein Pedal-Clavicytherium besaß ehemals Hofrat Klinkerfuss in Stuttgart (war lt. S. 76 des Katalogs auf der Musikausstellg. Bologna 1888 zu sehen. 'Clavicytherium con pedaliera. 1780-90.' (Jetziger Verbleib mir unbekannt).
2) (Einziges Instrument in Museums-Besitz:)
Ein schönes zweimanualiges Pedalcembalo von Joachim Swanen, Paris 1786, im 'Conservatoire des arts et métiers' zu Paris (Hinweis im Heyer-Katalog I, 428.) (Inv.-No. 6615. Catalogue p. 76: ohne nähere Angaben.)
* Der Breslauer Organist Georg Gebel berichtet in Matthesons 'Ehrenpforte' (1740) über ein von ihm erbautes Padal-Clavichord und Pedal-Clavicymbel (vgl. Heyer-Katalog I, 430.)
Bildbelege: mir nicht bekannt, dürfte es auch wohl kaum geben.
// Dr. Kinsky. Köln, 4/XII.35."