NL Rück, I, C-0570b

"Lieber Herr Marx!

Ich komme heute zurück auf unsere persönliche Besprechung in Leipzig wegen einzelner Stücke der Sammlung Widlhagen [recte: Wildhagen] in Berlin. Herr Wildhagen hat ursprünglich ziemlich hohe Preise verlangt und ich musste eine Schätzung von [Georg] Kinsky erst machen lassen, um ihn zu bewegen bei einer Anzahl Stücke auf die Kinsky'sche Schätzung einzugehen. Heute schreibt mir nun Herr Wildhagen It. Originalbrief, dass er bei einer Anzahl Stücke die Kinsky'sche Schätzung akzeptiert, bei anderen aber als unmöglich ablehnt. Wildhagen kennt Kinsky persönlich gut und schätzt ihn. Infolgedessen habe ich es für taktisch richtig gehalten, erst die Schätzung durch Kinsky machen zu lassen, da Herr Wildhagen zu Kinsky volles Vertrauen hat.

Sie hatten nun die Liebenswürdigkeit, mir bei unserer Rücksprache am Messe-Sonntag in Leipzig freundlich zuzugestehen, dass Sie, wenn die Sache ernst wird, bereit wären, nach Berlin zu fahren, an einem Samstag-Nachmittag/Sonntag und dort bei Wildhagen die mich interessierenden Stücke genau zu prüfen und zu besichtigen. Heute bin ich so frei, Sie zu bitten, nunmher [sic] diese Fahrt nach Berlin anzutreten. Vielleicht wäre es Ihnen möglich schon diesen Samstag oder den nächsten Samstag mit Sonntag dazu zu verwenden.

Herr Wildhagen ist ein hochanständiger, sehr vornehmer Mensch und ich habe ihm Ihren Besuch angekündigt, mit einem Brief, dessen Durchschlag ich Ihnen heute sende.

Ferner finden Sie in der Beilage eine Anzahl Fotographien seiner Instrumente, sein eigenes Verzeichnis mit Schreibmaschine geschrieben, auf welchem sich mit Bleistift die Preise notierte, welche Herr Wildhagen ursprünglich verlangte. Dies ist Beilage I. In Beilage II ist die Kinsky'sche Preisschätzung. In Beilage Ill ist mein Brief an Wildhagen, in welchem ich ihm die Kinsky'sche Schätzung bekanntgab und auf Seite 2 dieses Briefes vom 8. Juni noch die Schätzung für die mich primär interessierenden Instrumente: Diese Schätzung ist von Herrn Prof. [Helmut] Schultz mir gegeben worden, als er zu Ostern hier zu Besuch war. Im Antwortbrief vom 22. Juni IV teilt mir Herr Wildhagen mit, welche Preise der Kinsky Aschätzung [sic] er akzeptiert und welche er ablehnt. Unter den abgelehnten Preisen sind Instrumente, die mich interessieren und zwar in 1. Linie das Spinett und das Oktav-Spinett. Für die Laute in Elfenbein Nr. 16, für die theorbierte Laute Nr. 17 und die Chitarrone Nr. 18 wird Herr Wildhagen wahrscheinlich Preise fordern, die meine Finanzkraft übersteigen[.] Im übrigen bekomme ich ja durch Ihre liebenswürdige Bemühung meine Laute [MIR905] repariert von Ihnen und eine Laute mit Knickhals besitzen wir, sodass wir auf die Nr. 16, 17 und 18 verzichten können. Dagegen hätte ich das Spinett Nr. 39 und ev. das Oktav-Spinett Nr. 42 nicht ungern erworben, da es nach meiner Anschauung wirklich selten schöne Instrumente sind. Es wäre nun Ihre Aufgabe hierfür Preise von Herrn Wildhagen zu erfahren. Es wundert mich ja, dass er die sehr sorgfältige Schätzung des Herrn Prof. Schultz gerade für diese Instrumente offenbar auch zu nieder findet. Vermutlich wird er sich für die beiden Spinette für viel zu hohe Preise in den Kopf gesetzt haben.

In Beilage Ill habe ich die Instrumente angestrichen, die mich in 1. Linie interessieren würden.

Die Kassette zu dem Oktav-Spinett ist sicher nicht alt, denn Frl. [Margarethe] Steingräber erzählte mir, dass ihr Vater seinerzeit die Kassette zu diesem Spinett mit einer Ledertapete von einem alten Reisekoffer überzogen hat. Repariert ist sowohl das Spinett wie das Oktav-Spinett von dem verstorbenen [George] Steingräber und ich bitte Sie freundlich die beiden Instrumente auch darauf zu prüfen, ob sie wirklich spielfähig sind, oder ob sie doch trotzdem eine Reparatur brauchen, denn davon hängt der Preis und Wert sehr stark ab.

Ich bitte Sie freundlich die ganze Sammlung [Wildhagen] wenigstens riflüchtig anzusehen und mir dann zu raten, welche Instrumente in allererster Linie für uns in Betracht kommen könnten hinsichtlich des Erhaltungszustandes und der Echtheit.

Besonders interessiert mich das Hackbrett Nr. 41. Herr Wildhagen glaubt, dass es noch aus der Renaissance-Zeit sei, ev. ein früheres Salterio oder ein Psalter. Was mich an dem Instrument etwas stutzig macht, ist die Tatsache, dass die Rosetten nicht symethrisch [sic] auf der Decke verteilt sind. Andererseits kann man daraus schliessen, dass der eine Steg zwischen den beiden Rosetten, der zweite Steg rechts von der rechten Rosette angebracht war. Ich bitte Sie dieses Instrument besonders zu prüfen, da es an und zur sich ein sehr schönes und dekoratives Stück wäre.

Die Bass-Zister von Gram [recte: Kram] interessiert mich aus lokal-historischen Gründen. Sie war nämlich im Hirsvogelhaus zu Nürnberg. Das Instrument braucht eine Reparatur, da es einzelne Wurmgänge hat. Bitte schreiben Sie mir, ob Sie das Instrument wieder gut herbringen, dann würde ich es erwerben. Ich habe nämlich nur eine französisches Archi-Zister, die Sie ja seinerzeit so freundlich waren mir zu reparieren. Im Germanischen Museum ist eine ähnliche Zister von Gram.

Ich bitte Sie auch besonders die Instrumente Nr. 5, 6 und 7 zu beurteilen, da ich keine Tenorgeige habe und eine solche unter in 1. Linie erwerben möchte. Wie steht es mit dem krummen Zinken und der Bass-Blockflöte. Diese wäre ein sehr schönes Tausch-Objekt.

Ich bitte Sie mir nach der Reise freundlich zu berichten und Ihre Auslagen aufzugeben und Ihre Liquidation, damit ich keine Schulden habe.

In Berlin wohnen Sie direkt beim Anhalter Bahnhof Im Hotel Holstein, das mir sehr emfpohlen [sic] wurde. Ausserdem ist vis a vis vom Hotel Holstein in der Stresemannstrasse ein paar Häuser vom Excelsior entfernt ein Hospiz, betitelt am Askanischen Platz. [sic] in dem ich wohnte.

Ein hervorragendes Bier und trinken Sie und glänzend essen Sie im sogenannten Augustiner Keller, der zum Hotel Excelsior gehört. Unter anderem ist das Goulasch dort von geradezu eminenter Güte. Der Eingang zu diesem Keller ist in der Anhaltstrasse. Trinken Sie dort eine Mass auf mein Wohl. Ich danke Ihnen im Voraus für Ihre Bemühungen und begrüsse Sie freundschaftlich als // Ihr sehr ergebener

Die Photos erbitten ich nochmals zurück mit Ihrem Berichte zu meiner Orientierung. Auch möchte Hr. Prof. Schultz von einigen Copien, schon deshalb benötige ich sie nochmals."

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1933,06,22
Schreibort
Nürnberg
Erwähnte Objekte
Spinett (Oktavspinett)
Tasteninstrumente
erwähnt als
Provenienz
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Reparatur
Bestandsobjekt(e)
Laute (Schale mit Ergänzungen)
Zupfinstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Reparatur
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Angebot Musikinstrument(e)
erwähnte Ereignisse
Typ des Ereignisses
Angebot Musikinstrument(e)
Zink (Quartzink)
Spinett
Hackbrett
Tenorgeige
Spinett (Oktavspinett)
Tenorgeige
Tenorgeige
Laute
Theorbierte Laute
Theorbe
Basszister
Bassblockflöte
Involvierte Person
Involvierte Institution
Berlin
1933,06