"Lieber Herr Marx!
Ich war inzwischen, wie Sie wohl jetzt gehört haben, in Leipzig, weil ich mit dem Hause Blüthner wegen der Alleinvertretung für Nürnberg erfolgreich unterhandelte. Ich hatte des Vergnügen Ihre werte Frau Gemahlin [Elsa Marx] begrüssen zu dürfen und sie hast mir erzählt, dass es Ihnen im Urlaub gut gefallen hat und Sie sich wacker erholten. Es freut mich dies ganz besonders und ich möchte wünschen, dass Sie auch diese Urlaubswoche noch bei schönem Wetter im Kreise Ihrer Lieben zubringen können.
Ich hoffe in Ihrem Sinne zu handeln, dass ich mir gestattete, das Hackbrett [wahrscheinlich das Hackbrett mit Brandmalereien, welches Rück im April 1933 an Marx geschickt hat] gleich mit nach Nürnberg zu nehmen. Sie haben sich hier einmal wieder selbst übertroffen. Das entzückende lnstrumentchen machte uns alle im Hause wirklich Freude und ich danke Ihnen vielmals für die ausgezeichnete Fürsorge, die Sie unseren Belangen angedeihen lassen. A conto der Reparatur liess ich bei Ihrer Frau im Kuvert Mk. 40.- und bitte mir mitzuteilen, was ich Ihnen noch schulde.
Die beiden Flügel haben wir ebenfalls eingehend durchprobiert. Der Gräbner [MIR1106] ist sehr schön geworden und macht uns sehr viele Freunde. Am Dulcken - Flügel [MIR1115] haben wir lange studiert und Herr [Franz] Laugwitz hat nunmehr, wie er mir schreibt, die Hammerkern-Form im Diskant geändert, sodass auch dieser Flügel nunmehr wohl zur Zufriedenheit arbeiten dürfte, worüber wir sehr froh sind. Vielleicht hätten Sie die Liebenswürdigkeit, ihn nochmals zu überprüfen.
Wir untersuchten den Gräbner-Flügel von unten und hierbei hat sich gezeigt, dass eine Gabel unten an Spieltisch vorhanden war, in welcher ein Hebel lief, der durch einen Stift befestigt war. Dieser Hebel dürfte mit grösster Wahrscheinlichkeit der Kniehebel für den Moderatorzug gewesen sein. Nun macht Herrn Laugwitz die Konstruktion dieses Zuges einige Schwierigkeit. Bei diesem Flügel wäre dann der Fortehebel rechts und der Moderatorhebel links, eigentlich eine abnorme Erscheinung, nachdem es bei den meisten historischen Instrumenten umgekehrt ist. Herr Laugwitz meinte, er hätte im Museum ein Instrumet entdeckt, das die gleiche Anlage hatte. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie die Güte hätten sich die Sache anzusehen und dann den endgültigen Entscheid zu treffen. Ein Moderatorzug scheint daran gewesen zu sein, denn es sind rechts und links am Rasten sauber gebohrte Löcher für die Stösser noch zu sehen und ich entsinne mich deutlich, als ich den Flügel im Urzustand sah, dass er am Stimmstock ein Loch hatte und dass an dem Verbindungsstägk, das zwischen dem Stimmstock und dem Resonanzboden links am Rasten liegt, zwei Messingstifte vorhanden waren. Diese Messingstifte dürften mit dem Moderatorzuggirgend [sic] wie in Verbindung gestanden haben, vielleicht als Haltepunkt für Zugfedern oder dergleichen. Der Gräbner - Flügel ist ziemlich haarscharf 1793 gebaut, sodass schon aus dieser Zeit allein der Schluss gezogen werden muss, dass der Gräbner einen Moderatorzug hatte. Auch halte ich die Gabel unten am Spielboden für Original. Immerhin möchte ich den definitiven Entscheid Ihrer bewährten Sachkenntnis überlassen.
Wir haben auch am Dulcken-Flügel im Diskant 18 Dämpfer herausgenommen, genau wie an Ihrem im Museum.
Ich habe Herrn Laugwitz gebeten mit Ihnen Rücksprache zu nehmen, wann Ihnen seine auf etwa 14 Tage bemessene Urlaubs-Abwesenheit am liebsten ist, ob schon in dieser, oder der nächsten Woche, oder erst nächste und übernächste Woche. Er will sich ganz nach Ihren Wünschen richten.
Ich absolvierte auch einen Besuch bei Herrn Professor [Helmut] Schultz und berichtete ihm, dass wir beschlossen hatten, Ihren Besuch bei mir in Nürnberg auf später zu verlegen. Er wäre hiermit einverstanden und meinte, vielleicht liesse sich am Ende des Winter - Semesters die Sache so drehen, dass Sie a Conto Ihres Sommer - Urlaubs einige Tage nach Nürnberg kommen könnten. Nun, diese Sache hat ja noch Zeit. Bis dahin werden wir uns hoffentlich wieder gesund und wohl in Leipzig persönlich sehen.
Ich hatte Herrn Laugwitz noch gebeten, vor seiner Abreise noch den Boden aus dem Pedalhammer-Flügel [MIR1127] herauszunehmen. Ob sich die Herausnahme des unteren Bodens auch erforderlich macht, werden Sie am besten selbst beurteilen können, wenn der obere Boden herausgenommen
ist und man Einblick hat, wie die Berippung des unteren Boden ist. Da dieser stärker bezogen werden muss, muss er ja auch entsprechend aushalten.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn ich Ihre freundliche ev. Rückäusserung bis kommenden Mittwoch früh in Händen hatte, da ich Donnerstag früh endgültig in Urlaub abreise und bereits Donnerstag Abend in Salzburg bin.
Mit freundlichen Grüssen wie immer // Ihr ergebener".