"Sehr geehrter Herr Doktor!
Mit vielen Dank habe ich die Briefe vom 11. u. 13[.] erhalten herzlichen Dank für Ihr freundliches Anerbieten betreffs einer Unterkunft, wollen wir aber hoffen, daß ich es aus diesem Anlaß nicht benötigen muß.
Leipzig sieht trostlos aus. Auch die Universität ist total ausgebrannt. Der Siechenbräu ist zerstört, der Thüringerhof liegt ganz an der Erde, die Tomaskirche hat nur ein Stück vom Turm verloren aber die Mathäikirche hat nur noch ein paar Mauerreste und ringsum alle Häuser in Trümmer, das alte T[h]eater ebenfalls, das alte Rathaus, ein Teil vom Neuen u. v. m.
Jetzt ist es hier wie in Köln da giebt es sonnige, luftige Wohnungen. Heute bekommen wir, aber nur behelfsmäßig, Licht, auf 10 Tage. 1/4 ltr Petroleum u. pro Tag 3 Baumkerzen das war bisher unsere Beleuchtung, an Gas denen wir auch noch nicht. Leider hatte ich meine Lüsterjacke beim Schneider in der Johannisgasse, der hat nur mit Familie das nakte Leben retten können. In der Straße steht nur noch das Staatslotteriegeb. als einziges Haus. Doch hiervon genug.
Zu Blüthner kam ich noch nicht, es geht noch keine Tram.
Soviel ich mich entsinne schrieb ich Ihnen schon, daß ich den Eisendraht erhalten aber keine Buche, auch nicht von Liegnitz. Da ich den alten Stimmstock verwenden will so habe ich sie jezt nicht nötig. Geyer, Eisenberg schreibt von 2 [Quadrat]mtr Ledercheck und fragt was für Leder er schicken soll. Nun möchte ich gern erst Ihre Wünsche hören dann werde ich mich anmelden, habe aber in der Auswahl wenig Hoffnung. Erlaube mir Ihnen die herzlichsten Neujahrswünsche darzubringen[.] Hoffen wir, daß dies das Friedensjahr ist. Mit herzlichsten Grüßen // Ihr sehr ergebener // Otto Marx
Beste Neujahrsgrüße für Frl. Luise."