"Sehr geehrter Herr Dr. Kinsky!
Von der Reise zurück sende ich Ihnen inliegend Material zum Schätzen:
A: aus der Sammlung Salzer, Wien stammend (rotes Notizbuch [evtl. unter NL Rück, I, B-004a erhalten])
B. Wittmann Wien. Die Angaben sind bei Salzer sehr sorgfältig aufgenommen, um den Wert nach Abwägung aller Details einwandfrei feststellen zu können.
Zur Theorbe Salzer Nr. 1 bemerke ich, dass uns noch zwei Theorben angeboten wurden:
C. 1.Theorbe
ebenfalls aus Sammlung Salzer Wien, aber in anderem Besitze heute: alter Zettel Michael Albanus mit Pferd (wie in Lütgendorf II [1922a und b]), Decke 54,6 mal 34,5, Saitenhalter 24 Löcher, dagegen unterer Wirbelkasten 12, oberer 14 Wirbel enthaltend (!), Löwenkopf am oberen Wirbelkasten, dieser macht wie die Wirbelkästen originalen Eindruck. Ganze Länge 139. Muschel 31 Eibenspäne, Muscheltiefe 19 cm, Griffbrettbreite 9 bezw. 11 cm, Rosette mit Kleeblättern, Kopf leicht vergoldet. Auf dem Zettel ist noch schlecht zu lesen monis opus anno ... Die Wirbelkästen sind archilautenähnlich übereinandersitzend, wie die beiliegende uralte Fotographie am Pfeil das Instrument, wenn auch verschwommen, zeigt.
D. 1 Theorbe [Halle, Inv.-Nr. MS-168], Besitzer [Franz] Taborsky mit einem alten Zettel: Wendelin Tieffenbrucker und einem Reparatur-Zettel von [Sebastian] Schelle-Nürnberg. Korpus plus Griffbrett 80,8 dazu Wirbelkasten, 42 cm, zusammen 122,8 cm, totale Höhe. Unterer Wirbelkasten 14, oberer 10 Wirbel, Korpusbreite 31 cm, Deckenlänge 50,8 cm, Muschel besteht aus 21 Spähnen aus Eibenholz und ist ca. 17 cm tief. Griffbrettbreite am Chorholz 8 cm, am Halsansatz 10,5 cm mit 10 Darmbünden. Auf der Decke 3 Bünde. Geflochtene Rose. Unten am Rand der Muschel neben dem Anhänge-Beinknöpfchen ein Brandstempel wie neben skizziert, also .W.T. [sic] mit Anker. Diese Brandmarke finde ich nirgends, denn die Brandmarke wäre W.E. Die Decke hat einen schwarzen Ebenholzrand und die Muschel unten den üblichen Ansatz gegen die Decke in Ebenholz. Verlangt 1500 Schillinge!!
E. 1 Theorbe, Taborsky, ohne Zettel, 120 cm hoch, unterer Wirbelkasten 12, oberer 6 Wirbel. Korpus und Griffbrett 61 cm, Korpus-Breite 34 1/2 cm, Tiefe 10 1/2 cm. Von der Theorbe liegt Foto bei. Sie hat eine aussergewöhnliche Form. Die Muschel ist rückwärts mit ganz reichen Ätz-Zeichnungen eingelegt. Mir kommt diese Sache höchst verdächtig vor, obwohl die Ätz-Zeichnungen und Einlagen einen antiken Eindruck machen. Der Mann verlangt dafür 2000 Schillinge!!! Ich fürchte, bei diesen Preisen wird er auf seinen Theorben noch länger sitzen bleiben.
F. Angebot Feigl. Ein kleines Tafelpiano mit Schild Erard Frères - Rue du mail, Nr. 21 und 13 à Paris 1809, 5 Oktaven, F-f. Untertasten weiss, Obertasten schwarz, dünne schmucklose Füsse, samt[Lesart unklar]rückwärtigen linken Fuss waren zwei jetzt fehlende Pedaltritte. Kastenhöhe 19 cm, Tiefe 46 cm, Länge 115 cm, übliche englische Tafelklavier-Mechanik, Mahagoni-Fournier, Original-Bezug noch erhalten, Resonanzboden eingedrückt, Vorsatzleiste Ahorn poliert geschweift mit 2 Adern, Tastenfronten aus braunem Holz ausgefräst. Hierfür wird der blödsinnige Preis von 2000 Schillinge verlangt. Diese Leute scheinen noch in Inflations-Zeiten zu leben.
G. Angebot Zzapka [Klavierfabrik Jacob Czapka & Sohn] - Wien: 1 Flügel, Empire mit Schild Michael Rosenberger-Wien in Email, Gehäuse Mahagoni, vorne mit reichen Bronzen ausgestattet. Tastatur F-g, also 5 1/8 Oktaven, Klaviaturbreite 83,7 cm, alle Tasten Bäckchen mit Wiener-Mechanik; Hämmer mit rund eingebohrten Stielen. Ganze Fängerleiste, aber fehlt. Auslöser nicht abgefast, Messingkapseln, Stimmstock in der Mitte hochgezogen, Wirbel Original, 21 obere Diskant-Chöre, dreichörig, Rest zweichörig. Resonanzboden im Diskant gerissen, Füsse fehlen, Pult fehlt, Flügel hatte 4 Füsse, zwei Kniehebel, wovon einer fehlt. Länge 220 cm, Breite 98 cm, Hammer-Material schlecht, Stimmstock im Bass los.
Der Flügel hat am Deckel innen einen aufgeklebten Zettel aus altem Papier mit der Inschrift Wolfgang Amadé Mozart 1790. Diese Inschrift Mozarts ist angeblich echt und Mozart soll auf dem Flügel gelegentlich seiner Reise nach Prag gespielt haben, wofür angeblich Briefe und Urkunden vorgelegt werden können. Der Flügel stand auf einem böhmischen Schloss, wo Mozart übernachtete. Mir kommt die Sache etwas spanisch vor, denn die Ausstattung des Instrumentes mit Broncen oberhalbt der Klaviatur entspricht etwa den Innern des Walter-Flügels, Sammlung würtembergisches Landesgewerbemuseum, Katalog [Schröder 1928] Seite 49. Aussen hat der Flügel keine Broncen. Zur Entscheidung der Frage wäre massgebend, wann das Wiener Empire mit Broncen erstmalig auftrat. Hierzu sagte mir der Kustos des Steiermarkschen Landesmuseums in Graz, dass der typisch elegante Wiener Empire erstmals 1786 auftrat, bis 1810 gedauert hat und wieder gekommen sei 1828-1840. Die Untertasten des Flügels sind schwarz, Obertasten weiss. Verlangt 2000 Schillinge, lässt aber über den Preis mit sich sprechen. Meines Erachtens ist lediglich massgebend, ob die Mozart-Inschrift echt ist und ob sie zu dem Flügel gehört. Der Zettel ist nämlich nicht einmal schön gerade zugeschnitten, sondern macht den Eindruck als ob er aus einem Blatt herausgerissen worden wäre.
Weitere Angebote folgen in den allernächsten Tagen, da mir momentan die Zeit fehlt, alles zu verarbeiten. Bei Berechnung Ihrer Liquidation bitte ich recht gnädig zu verfahren, da leider Bargeld bei uns sehr knapp geworden ist, denn das Geschäft geht leider lange nicht so wie voriges Jahr. Die Unterlagen erbitte ich wieder zurück.
Auf der alten Fotographie von Salzer finden Sie verschiedene der im roten Notizbuch angebotenen Instrumente von rückwärts abgebildeten. Leider sind die anderen Instrumente der Sammlung Salzer 1927 in Wien versteigert und verschiedentlich verstreut worden. Insbesondere tut es mir leid um die Baritons, denn ich suche schon lange einen solchen. [Adolf] Paulus [in Bonn] hat mir das Gamben-Korpus [Altgambe Tielke] gesandt. Ich muss aber sagen, dass das Korpus schon sehr mitgenommen ist. Ich muss mir die Sache reiflich über Neujahr überlegen.
Bezüglich des Flügels von Hofmann mit der mysteriösen Jahreszahl 1782 hat eine genaue Untersuchung ergeben, dass der Resonanzboden durch einen Schreiner in Kärnten neu hineingemacht wurde, weil der alte natürlich kaputt war. Ob auf dem alten Boden die Zahl 1782 war, kann ich erst 1934 in Kärnten klären. An dem Flügel ist allerhand herumgemmacht worden und dies ist bedauerlich. Auf jeden Fall ist die Signatur auf dem Boden durch den Kärntner Schreiner angebracht worden, denn im Schild, das Original Email ist, fehlt die Jahreszahl! Also bleibt diese Frage vorerst offen.
Von den 3 Theorben erscheint mir persönlich jene im roten Notizbuch als die originalste. Bei der Tieffenbrucker ist ein Wirbelkasten angebracht, der in der Arbeit und in den Profilen stark an den Wirbelkasten meiner Original Hofmann Theorbe [Hoffmann, MIR904] von etwa 1740 erinnert, um diese Zeit würde Schelle entstehen und daraus könnte geschlossen werden, dass Schelle den Wirbelkasten erneuert hat.
[Handschriftlich] Frdl. Grüße // Dr. Rück".