"Lieber Herr Dr. Rück,
Hier die Antwort auf Ihren w. gestrigen Brief:
Eine 'AnnaStein' als Wiener Klavierbauerin ist - wie Sie auch bereits festgestellt haben - nirgends erwähnt, und mit der berühmten Familie Stein-Streicher steht sie sicherlich in keiner Bezeihung. (Vielleicht mit Ferdinand oder Heinrich Stein? s. Heyer-Katalog I [Kinsky 1910], S. 269) Da also der betreff. Münchner Flügel auch aus diesem Grunde kaum irgendwelchen historischen Wert besitzt, wäre es für Ihre Zwecke doch nicht geeignet, und ich würde Ihnen raten, das Geld dafür zu sparen und lieber abzuwarten bis wir gelegentlich einen echten Streicherflügel finden. Bei der grossen Verbreitung der Streicher'schen Instrumente in Oesterreich sowohl wie in Deutschland wird sich die Gelegenheit hierzu schon finden; evtl. könnte man es mit einem Kaufgesuch in der 'Zeitschrift für Instrumentenbau' versuchen. Von den 5 oder 6 Streicherflügeln im Heyer-Museum weiss ich, wie überraschend voll und sonor sie auch heute noch klingen, und zur Wiedergabe von Beethovens und Schuberts Klaviermusik ist kein besser geeignetes Instrument denkbar. - Zur Frage, wann die Hämmerbelederung durch die Befilzung abgelöst wurde, muss ich noch Nachforschungen in der englischen Fachliteratur (Rimbault [1860] und Hipkins [1896]) anstellen - aber grade [sic] über derartige Spezialfragen findet man gewöhnlich keinen Aufschluss.
Das Neupert einen Stein-Flügel [später Augsburg] besitzt, war mir bisher nicht bekannt. Vielleicht handelt es sich um eine Erwerbung der letzten Jahre, da in seiner Schrift 'Vom Musikstab zum modernen Klavier' (2. Aufl., 1926) das Instrument weder erwähnt noch abgebildet ist. Im Katalog der Frankfurter Musikausstellung 1927 [Meyer-Baer 1927] ist nur Neuperts Nanette Streicher-Flügel (v. J. 1820) [heute Halle, Nr. MS-39] angeführt.
Das Hackbrett der Sammlung Wildhagen ist sicher ein merkwürdiges und seltenes Stück; zu einem abschliessenden Urteil wäre aber eine Prüfung desInstruments selbst erforderlich. Die wohl aus dem 'Vollen' (dem Deckenholz) geschnitzten Schallochrosen erinnern in ihrer gotisierenden Form an die Lautenrosen des 16. Jahrhunderts (vgl. Tafel XIV u. XV in Schlossers Wiener Katalog); über die Ornamentik-Schnitzerei der Vorderzarge lässt sich nur an Hand der wenig deutlichen Photographie nicht sicher urteilen. Immerhin wären, da auch die Stege fehlen, 250 Mark ein ziemlich hoher Preis - 150 bis 175 Mark dürften genügen.
Zur Baßzister von Cram: Da Sie eine französische Archicistre bereits besitzen, der Typ in Ihrer Sammlung also vertreten ist, käme das Instrument für Sie nur aus ortsgeschichtlichem Interesse als Nürnberger Erzeugnis in Betracht. Bei der Seltenheit der Baßzistern liesse sich ein Preis von etwa 125 Mark wohl verantworten.
Die Anlagen folgen anbei zurück.
Mit besten Grüssen // Ihr ergebenster // [handschriftlich] // Dr. G. Kinsky
[handschriftlich] P. S. Geigenbauer F. Chr. Edler in Frankfurt a. M. schrieb mir, daß er eine gute Tielke-Gambe abzugeben hätte. Ich habe ihm empfohlen, Ihnen das Instrument anzubieten."