"Liebe Herren Rück,
Nachstehend erhalten Sie die gewünschten Auskünfte - zunächst über die Instrumente des Innsbrucker Museums für Volkskunst:
1) Orgel-Portativ. Sie schreiben, dass der Untersatz fehlt; vielleicht gehört aber gar kein Untersatz dazu, und das Instrument ist eine sog. 'Prozessionsorgel' (Vgl. Heyer Nr. 254 [heute Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig]), worauf auch die beiden eisernen Riegel hinweisen, die zum Befestigen (Durchstecken) der hölzernen Tragstangen dienten. Derartige Prozessionsorgeln waren im 18. Jahrhdt. in Italien verbreitet; es gibt darüber einen interessanten Brief des Bologneser Komponisten und Kirchenkapellmeister Giac. Ant. Perti (1661-1756) an Padre Martini - eine deutsche Uebersetzung steht auf Wunsch gern zur Verfügung. Der Registerzug an der linken Seite könnte vielleicht ein sog. 'Tremulant' (s. Heyer-Kat. I [Kinsky 1910], 298, Fussnote 1) sein - doch müsste man das an dem Instrument selbst untersuchen. Wegen der von Ihnen angeführten Mängel halte ich das Exemplar nicht grade für empfehlensert; gelegentlich wäre in Italien wohl ein besser erhaltenes aufzutreiben. Schätzung: ca. 200-250 Mark.
2) Frühe Zister: ein Urteil, ohne das Instrument selbst genau geprüft zu haben, ist in diesem Falle sehr schwierig. Entweder ist es ein früher mittelalterlicher Typ und dann jedenfalls ein Unikum oder aber eine Laienarbeit aus späterer Zeit. Das mehr eckige Korpus hat nichts zisterartiges an sich und erinnert entfernt an die eckige Fidelform auf dem Genter Altar der Brüder van Eyck (ca. 1425), ebenso das linke Schalloch [nach links geöffnetes c] während die abweichende Form des rechten Schallochs [Zeichnung] wieder für eine Laienarbeit spräche. Der Oberteil mit dem Hals eingeschobenen (also nicht aufgeleimten?) Bünde sind auch etwas ganz Merkwürdiges. Eine genaue wissenschaftliche Untersuchung des Instruments wäre sicher sehr interessant, aber eine Versendung wird sich wohl kaum ermöglichen lassen?
3) Offenbar eine Zunfttrommel (der Kürschnerzunft) zum Gebrauch bei städtischen Festzügen mit den Familienwappen der Stifter. Dekoratives Stück; Wert: bis zu 100 M.
4) Zur Gruppe der sog. 'Saxhörner' gehörig: Bass-Saxhorn; Schultermodell (schon vor Sax (1845) von dem Amerikaner Dodworth 1838 erfunden, s. Kat. New York S. 191, Abbildung: 3. Tafel nach S. 190. Vielleicht eine Nachahmung der Firma Cerveny in Königgrätz; Zeit: um 1850. - ca. 75 M.
5) Nicht 'Gusli' (russisches Psalterium), sondern 'Gusle' (südslavische Geige). Selten vorkommend. Je 50 M.
6) u. 7) Doppel- (Block-)flöten wohl vorderasiatischer Herkunft (Muselmanländer). Hübsche Stücke! Je ca. 40-50 M.
8) Nicht Kontrafagotte, sondern engl. Basshörner bezw. Ophikleiden (Bass-klappenhörner mit Kesselmundstück, s. kleiner Heyer-Kat. [Kinsky 1913] S. 180). Erbauername: Pelitti (vgl. Heyer Nr. 1716/17). Je 50-60 M.
9) Banjo: ca. 25 M.
10) Basstuba oder Kontrabasstuba (je nach Gesamtröhrenlänge) in abweichender Achterform, ähnlich Heyer Nr. 1767 (Kontrabasstuba von M. Saurle, München ca. 1870) [heute Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig]. Nicht häufig, da diese Form bald wieder verschwand. Schätzung wie bei 8), falls intakt!
Das Klagenfurter Cithrinchen ist von dem Salzburger Meister Schorn (nicht Schorr) und wohl die von Lütgendorff angeführte 'polnische Zither um 1700' im Landesmuseum Klagenfurt. Johann Ferd. Schorn? Er signiert nur 'Joannes'; seine Taufnamen waren nach Lütgendorff: Johann Paul. Ein 2. Cithrinchen von ihm mit der Jahreszahl 1696 ist im Museum der Gesellschaft der Musikfreunde, Nr. 74 (s. Heyer-Kat. II [Kinsky 1912], S. 293). Als Typ selten! Wert: bis zu 200 M. - Der Wiener Katalog [Gesellschaft der Musikfreunde 1912] ist bestellt und folgt sofort nach Eintreffen.
Herrn [Adolf] Paulus in Bonn werde ich dieser Tage aufsuchen, obwohl ich augenblicklich mitten im Umzugstrubel stecke und meine Bibliothek zu einem grossen Teil bereits eingepackt ist.
Zum Briefe der Frau [Luise] Wulf in Altona [siehe NL Rück, I, C-0998]: Ueber das sog. Skala-Harmonium habe ich leider nichts ermitteln können - vielleicht ist es eine spätere Wiederaufnahme des Prinzips des 'Xylharmonikon' von Uthe, Sangershausen 1810 (s. Heyer-Kat. I [Kinsky 1910], S. 401). Jedenfalls ein ganz interessantes Stück, und da es nur klein und leicht transportierbar ist, würde ich Ihnen empfehlen, es sich durch Steinway [wohl Berlin] zur Ansicht kommen zu lassen und an Ort und St[e]lle zu untersuchen, was es damit für eine Bewandnis hat.
Zum Angebot [Klavierfabrik] Stelzhammer, Wien [siehe NL Rück, I, C-0882]: Der Name des Erbauers lautet Ferdinand Hofmann (nicht Hoffmann). Er lebte von ca. 1760-1829; biographische Angaben im Heyer-Katalog I [Kinsky 1910], S. 232. Ausser den beiden Heyer-Klavieren Nr. 140 und 176 [heute Museum für Musikinstrumente der Universität Leipzig] ist kein weiteres Instrument von ihm in Sammlungen z. Zt. nachweisbar. Die Jahreszahl 1782 ist etwas verdächtig, da H. damals noch ein junger Mann war und sich wohl erst später selstständig gemacht hat. Im Uebrigen wird der Flügel dem Heyer'schen (Nr. 176) entsprechenden, also dem Beginn des 19. Jahrhunderts angehören. Dafür sprechen auch die Messingkapseln, deren Einführung erst damals in Wien erfolgt ist (vgl. Heyer Nr. 134 f.) Da Stelzhammer von einem 'enorm hohen Einkaufspreis' schreibt, liesse sich sein[e] Forderung von 750 Schilling wohl rechtfertigen - ansich halte ich diesen Preis, zu dem ja noch die Fracht- und Zollspesen kämen, viel zu hoch; Wiener Flügel mit weniger bekannten Namen - also auch Hofmann - wären m. E. mit 300 Mark angemessen bezahlt.
Meine heutige Liquidation beträgt 20 M (wird verrechnet).
Unser Umzug, über dessen Plan ich Ihnen bereits Ende September schrieb, wird am 2. November stattfinden. Meine neue Adresse ist dann:
Köln - Dellbrück // Bergisch Gladbacher Str. 1065 II.
Mit freundlichsten Grüssen // Ihr stets ergebener // [handschriftlich] Dr. G. Kinsky".