"Sehr geehrter Herr Dr. Rück,
Nachfolgend der Bericht über meinen Besuch bei Herrn Paulus in Bonn:
1) Von der Altgambe ist leider nur das schlicht ausgestattete Korpus vorhanden; es fehlen also Hals, Köpfchen und Saitenhalter. Bei näherer Untersuchung fand ich im Innern einen echten (gedruckten) Zettel von Joachim Tielke, und auch der Schnitt der [gezeichnete, nach innen geöffnete c]-Löcher spricht für den Hamburger Meister. Nun sind von Tielke fast ausschliesslich Tenorgamben bekannt; Altgamben sind nur im Musikhist. Museum Kopenhagen [Carl Claudius' Samling] nachweisbar: Nr. 381 und wahrscheinlich auch Nr. 382. Es fragt sich nun, ob Sie sich mit diesem Original-Korpus begnügen und die fehlenden Zubehörteile (an Hand der Abbildung auf Seite 89 des Katalogs von Hammerich [1911]) von Paulus, der ja als geschickter Geigen- und Lautenmacher einen sehr guten Ruf geniesst (s. Lütgendorff! [1922 a und b]), nachbauen lassen wollen - oder ob es besser wäre zu warten, bis gelegentlich eine intakte Altgambe auftaucht. Das Korpus allein gibt Paulus sicherlich billig her; über die Ergänzungskosten müsste ich nochmals mit ihm sprechen, sobald ich von Ihnen prinzipiellen Bescheid habe. - Sonst hat er noch abzugeben:
2) Eine Viola d'amore (Ganz im Originalzustand) von Franz Kastl, Heilbrunn bei Tölz 1752 (s. Lütgendorff II [1922a und b], S. 247). Dunkelbraun lackiert. Geschnitztes Griffbrett und Deckenrose. Schallöcher in Flammenform mit 'Beipunkt'. Etwas derbes Löwenköpfchen. Bezug: je 7 Spiel- und Begleitsaiten. Preis (da hoher Einkaufspreis): 500 Mark.
3) Französische Tenorgambe (Basse de Viole) von Francois Gaviniés, Paris 1772 (Zettel wie bei Lütgendorff II [1922a und b], Abb. 236 u. 312). Rötlich lackiert. Hals und Wirbelkasten neu; Frauenköpfchen alt. Decken- und Bodenrand aus Ahorn- und Ebenholz (sog. 'Schnurrand'). Gewölbter Boden. Deckenrose. Auffällig breite [gezeichnete, nach innen geöffnete c]-Löcher. Bezug: 7saitig. Preis 600 M.
4) Deutsche Tenorgambe von Franz Geissenhof, Wien 17... (nach Lütgendorff II, S. 161 'der beste Wiener Meister'). Kopf und Hals neu, da später zum Violoncell umgearbeitet gewesen. Korpus sehr schön im Holz. Gewölbter Boden. Flammenschwertlöcher mit Beipunkt (ähnlich wie bei der Viola d'amore von Kastl, Nr. 2). Bezug: 7saitig. Klangschön! 600 M.
Sollte noch keine französische Gambe mit 7saitigem Bezug bei Ihnen vertreten sein, würde ich Ihnen zu Nr. 3 (Gaviniés) raten; im Preise wird Herr Paulus wohl noch etwas Entgegenkommen zeigen, er ist auch zu einer Ansichtssendung gern bereit.
Ein Spinett, das er besass, ist leider bereits verkauft; er hat jedoch noch einen Hammerflügel (grosses Modell) von Hubert in Ansbach, der bei einem Spediteur in Schweinfurt lagert und von Ihnen dort besichtigt werden kann. Preis: 650 M. Anscheinend eine grosse Seltenheit, da von diesem Meister nur der kleine Hammerflügel Heyer Nr. 172 [MIR1176] bekannt ist, den Sie von Frau [Grete] v. Diergardt erworben haben. Angaben über Einzelheiten kann Paulus z. Zt. nicht machen; er wird mir aber die Adresse des Spediteurs heraussuchen.
Das Werk über die Wiener Gesellschaft der Musikfreunde [1912] muss dieser Tage eintreffen; ich schicke es dann sofort nach Nürnberg ab.
Mit freundlichsten Grüüsen [sic] an Sie und Ihren w. Herrn Bruder [Hans Rück] // Ihr sehr ergebener // [handschriftlich] Dr. G. Kinsky".