(Mit Brief vom 10. September zusammengeklebt.)
"Lieber Herr Dr. Rück,
Ueber das Spinett von Dominicus Pisaurensis [MIR1081] hatten Sie mir bereits Ende Mai 1932 geschrieben. Ich hatte Ihnen damals Vorsicht angeraten, glaube aber jetzt an Hand Ihrer Notizen sagen zu können, dass es sich um ein echtes Stück handelt. Auch die getuschte Signatur zeigt grosse Uebereinstimmung mit der Inschrift des Heyer-Cembalos No. 67 [heute Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig] (Abbildung: H[eyer].-Katalog I [Kinsky 1910], S. 222). Ihre Annahme, dass es das älteste datierte Spinett des Meisters sei, ist richtig; das Spinett in Brüssel (No. 1586), Nr. 3: Antegnati 1537 (London). - Meine Schätzung wäre 800-1000 Mark. 4000 Lire [= 880 RM] sind also an sich ein angemessener Preis; einige Hundert Lire Nachlass werden wohl noch zu erzielen sein.
Die versprochene Photographie des indischen Instruments Rebab habe ich nicht erhalten. Derartige Stücke sind aber, da noch heute in Gebrauch, garnicht so besonders selten. Mehr als 100-125 Mark würde ich dafür nicht ansetzen.
Es freut mich sehr, das Sie das schöne Oktav-Virginal [MIR1223] erworben haben, das sich dazu noch als ein Automatenwerk entpuppt hat. Ist es denn spielbar und könnte man vielleicht die zwei Walzenstücke - wie in Schlossers Katalog [1920] - in Notenschrift aufnehmen? Ob es von [Andreas] Ruckers oder [Samuel] Bidermann stammt, ist einstweilen schwer zu entscheiden - möglich wäre, dass es letzterer - vielleicht für eine niederländische Dame als Bestellerin? - nach einem Ruckers-Modell gebaut hat, da ja derartige Nähkasten-Virginals eine Ruckers'sche Spezialität waren. - Ueber das Breslauer Bidermann-Spinett habe ich eine sehr ausführliche Studie von Prof. Max Schneider, die Ihnen auf Wunsch gern leihweise zur Verfügung steht. Interessant ist darin die Feststellung, dass dort die Stimmung - wie damals haufig - eine kleine Terz höher als unser Normal-a steht.
Der Preis des bemalten Spinetts (VIII) von 7500 Lire ist reichlich hoch; auch kommt mir die Bemalung auf dem Vorsetzbrett etwas verdächtig vor (moderne Zutat?). Die Familie Este herrschte übrigens in Ferrara, nicht in Mantua; dort war die Familie Gonzagaansässig. Bei dem hohen Preise und dem Fehlen einer Signierung würde ich einen Verzicht vorschlagen und das Kapital für eine bessere Gelegenheit aufsparen.
Der in Aussicht gestellte Brief über das berühmte Ruckers'sche Doppel-Virginal ist mir noch nicht zugegangen. Aus Ihrer Preisnotiz ersehe ich aber, dass die Besitzer von ihrer einstigen übertrieben hohen Preisforderung (100.000 Goldlire!) inzwischen stark heruntergegangen sind.
Meinen Aufsatz [Kinsky 1933] über das Venzky'sche Stammbuch [1790] im letzten Heft der 'Zeitschrift für Instrumentenbau' werden Sie wohl gesehen haben. Sollten Sie das Buch von Garnault [1926] über die Trompette Marine nicht mehr benötigen, bitte um frdl. Rücksendung.
Meine heutige Liquidation beträgt 15 M. Sollte es Ihnen möglich sein, mir dazu noch 25 M Vorschuss, im ganzen also 40 M, zu überweisen, wäre mir dies sehr erwünscht, da meine wirtschaftliche Lage leider Gottes immer bedrohlicher wird...
Mit freundlichen Grüssen auch an Ihren Herrn Bruder [Hans Rück] // Ihr sehr ergebener // [handschriftlich] Dr. G. Kinsky".
Handschriftliche Ergänzung Hans Rücks: "M 20.- a C[on]to. bar gesandt a[m] / 9.9.33."