"Lieber Herr Professor Steglich! Besten Dank für Ihren lieben Brief vom 22ten. Ich kam bisher nicht zum Schreiben, da mir die Salzburger Verhandlungen wieder drei Tage weg nahmen. Mein Entscheid ist endgiltig für Sieghartstein gefallen. Herr Marx ist jetzt hier bei mir, wir sehen Sieghartstein auf der Rückreise, gemeinsam von Salzburg aus an, um uns über die technischen Erfordernisse zu beraten. Ueberdies muss Herr Marx in Salzburg allerhand Klaviertechnisches erledigen. Ich kann die zwei verbliebenen Nürnberger Techniker nicht dazu entbehren, noch nachdem unser einziger Polierer Kellner uns auch verliess und zur SS überwandern will. Restaurierungsarbeiten soweit sie schreinertechnische Leistungen erfordern sind damit bis auf weiteres unmöglich gemacht worden, ausser er käme wieder - er ist 'kranken' - oder wir bekämen Ersatz. Herr Haid wird Ihnen näheres berichten können, ich bin zu wenig im Bilde.
Ich will mich hier vor allem auskurieren, körperlich und seelisch, soweit es möglich ist. Darum bin ich froh, wenn ich von der geschäftlichen Unrast möglichst nichts höre. Denn was ich höre, ist meist wenig erfreulich: Lieferungen neuer Klaviere hören bald ganz auf, gebrauchte sind schwer zu haben, die Nachfrage nach wie vor gross und nicht zu befriedigen. So werde ich mein Schwergewicht mehr auf Restaurierungen historischer Art für fremde Rechnung verlegen müssen, um die geschäftlichen Unkosten damit zum Teil decken zu kennen. Die Hochschule Salzburg sandte 1 Spinett, 1 Clavichord, 1 Trumscheit. Valentin sagte mir zu, sich entschlossen zu haben, Mozarts Clavichord doch richten zu lassen: ein erfreulicher Lichtpunkt in sachlicher Beziehung: aber bitte nur für Sie und ganz vertraulich, damit nicht im letzten Moment [Ludwig] Schiedermaier oder [Erich] Schen[k] zwischenfunken. Restaurierungen für die eigene Sammlung werden zurücktreten müssen soweit es sich nicht um unaufschiebbare Werte handelt, wie den originalen Jean André Stein [MIR1097] z. B.. Das alles hängt ab von dem weiteren Verlaufe des 'totalen Krieges' und seinen weiteren Anforderungen. Hier kann man nichts prophezeien.
Für Sieghartstein sprachen in erster Linie die Lage, die wirklich erstklassigen Räume, das Fehlen neuen frischen Betons - der nach meinen mehrjährigen Erfahrungen bei Witterungswechsel schwitzt und Nässe abgibt. Historische Instrumente vertragen jegliche Kälte, wenn sie trocken ist, aber nicht übermässige Hitze oder gar irgendwelche Feuchtigkeit. Und diese befürchtete ich im Turm. Weiter garantierte mir der Regierungspräsident und der Gauleiter, der sehr viel für Kunst und Musik übrig hat, dass das Schloss möglichst von Einquartierungen verschont bleiben soll mit Rücksicht auf die Sammlungsbestände. Weiter liegt im Umkreis von Dutzenden von Kilometern weder eine Muni noch ein Flugplatz oder Rüstungsbetriebe. Endlich war noch entscheidend das Gutachten von Prof. Dvorak/Wien. Mein Entschluss ist aus rein sachlichen Erwägungen heraus für Sieghartstein gefallen und hat mit späteren Verfügungen über die Sammlung nicht das mindeste zu tun. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie Dir. Lutze über meinen Entschluss und seine sachl. Begründung vor Ihrer Abreise in die Ferien noch telefonisch oder persl. aufklären möchten, damit mir ein Brief erspart wird, denn ich muss hier ernstlich an meine Gesundung denken. Bitte grüssen Sie ihn bestens von mir.
Die weitere Entwicklung wäre so: hier berate ich mit Marx alle Einzelheiten wegen Belassung eines Teiles der Sammlung, wegen Belassung der innerhalb der nächsten zwölf Monate zu restaurierenden Instrumente aus meiner Sammlung und für fremde Rechnungen (auch von München habe ich schon Aufträge!), wegen der Verpackungseinzelheiten und vieler sonst. Details. Ihnen lege ich dann das so geforderte Resultat als Vorschlag vor, damit Sie evnt. Wünsche äussern können und wir uns dann endgiltig vereinbaren. Dann erst können die Verpackungsmassnahmen erfolgen, zu denen mir Marx hilft, Sie helfen sollen etc.. Das alles erfordert Zeit und Vorbereitungen mannigfacher Art. Auch sollen noch Fotografien vor dem Abtransport gemacht werden, für den Bildschmuck brachte ich allerhand von Wien mit, manches wird z. Zt. in Wien photografiert und anderes folgt noch. Denn ich will in der Zeit des beginnenden Sammlungs-Interregnums an dem geplanten 'Bilderbuch' möglichst viel vorarbeiten - wie hoffentlich auch Sie mithelfen in wiss. liter. Hinsicht.
Der Abtransport wird wohl nicht vor Oktober erfolgen können, weil ich weiss, was für Vorbereitungen dazu erforderlich sind. Uebrigens war weiter für Sieghartstein entscheidend, dass ich jederzeit zu jedem Instrumente nach Belieben zu kann, was im Turm nicht der Fall gewesen wäre. Graf [MIR1119] und Streicher [MIR1107] für Salzburg bleiben also in Nbg auf jeden Fall bis zum Salzburger Vortrag stehen und zu Ihrer Verfügung.
Da ich Sie brauche, wiederholte ich am Dienstag bei Valentin mein Ansuchen, Sie für weitere 4 Monate bei der Universität von der Stiftung aus anzufordern, auch für die vom Führer angeordnete Neuhera[u]sgabe von Mozarts Werken - Sie sind für Kammermusik vorgesehen - Valentin wollte es sofort erledigen und ging ganz mit mir einig. Auch brauche ich Sie fürs Einspielen von Mozarts Clavichord.
Zahnaurum: ich telefonierte gestern abends nochmals dringend und erhielt die Zusage, dass ich in diesen Tagen die ersten 17 gr bekomme. Diese sende ich Ihnen dann postwendend, der Rest folgt in Bälde laut Zusage. Es war sehr schwierig.
Ferien: Kathie Biendl, Gasthof Altginzling, Ginzling (auch Dornauberg genannt) im Zillertal--- ferner Frau Schneeberger, Gasthof Schneeberger, Zell am Ziller/Zillertal - Gasthof goldene Sonne Gmunden am Traunsee. Ich komme am Samstag den 30ten auf Sonntag 31ten nach Gmunden, gold. Sonne: wenn Sie wollen frage ich nach Quartier und Preisen. Ich kann Sie dort sicher unterbringen. Bitte berichten Sie mir umgehend hierher oder nach Gmunden, ob und was ich für Sie dort tun soll. Gold. Sonne liegt im Ort an der Hauptstrasse und ist gut. Wegen Winzling oder Zell telefonierte am besten Haid für Sie, sprechen Sie mit ihm.
Regierungsmedizinalrat [Fischer]: weiss ich von gar nichts! Ein histor. Clavichord restauriert könnte er haben, wenn er warten kann und es entsprechend bezahlt, ist natrl. teurer wie ein neues, darüber müsste er sich klar sein.
Wien: hier irren Sie, von Krieg wurde kaum gesprochen, viel mehr vom Geschäft. Und jetzt geh' ich spazieren! Herzliche liebe Grüsse Ihnen, Haid und Lutze // von Ihrem".