"Lieber Herr Prof. Steglich!
Freundlichen Dank für Ihren Neujahrsbrief und Ihre lieben Wünsche, die wir herzlichst erwiedern.
Es freut uns, dass Sie an der Hindenburg-Hochschule zu lesen aufgefordert wurden und wir möchten hoffen, dass Sie recht vielen Erfolg haben. Falls Sie für Demonstrationen jeweils das eine oder andere Kleininstrument benötigen, wollen Sie es sich bitte holen. Natürlich stehen auch grosse zur Verfügung, doch wirds hier am billigsten sein, wenn die Schule die Demonstrationen zu uns verlegt, denn sie wird kaum Etatmittel für Transporte haben. Bitte besprechen Sie jeweils das Nötige mit Haid, denn ich bin leider noch nicht reisefähig. Ich gehe zwar täglich aus und stehe etwa für 3 Stunden auf, kann auch etwas zu Fuss gehen, bin aber dann froh, wieder ins Bett zu kommen, wo die Schmerzen doch geringer sind. Der Erfolg der zwei Röntgenbestrahlungen kann erst in etwa 6 Tagen beurteilt werden. Vielleicht kommen dann Kurzwellenbestrahlungen. Es handelt sich um eine äusserst zähe und bisher recht langwierige Sache. Dabei ist der Aufenthalt hier nicht angenehm, denn Wien hat sich stark verändert.
Für Ihre Hallensichen Arbeiten weiterhin besten Erfolg! Mit unserer geplanten Sendung wird's wohl noch gute Weile haben, denn wer weiss, wann der Sender Nürnberg je wieder geöffnet wird! Bis dorthin dürfte Ihre Halle'sche Arbeit längst beendet sein und auch der von uns schon lange abgesprochene Text fertig werden. Zur Zeit eilt es leider bestimmt nicht.
Fräulein Luise hatte für Sie zu Weihnachten einige Flaschen bereitgelegt: wenn man Ihnen dieselben nicht zusandte, was natürlich jetzt mit allerhand Schwierigkeiten verbunden ist, müssten Sie sich's gelegentlich mitnehmen. Auch war ein Karton Briefpapier für Ihre Frau dabei von der bekannten Wiener Firma Huber u. Lerner. Ich hätte ihr die Initialien aufprägen lassen, wenn ich den Vornamen gewusst hätte.
Wie steht's mit Prof. Richter, dessen Flügelkauf Ihre Frau doch vermitteln wollte? Die guten Markenflügel werden immer rarer. Näheres weiss Haid, besser wie wir. [W]ann steigt Ihr erstes Konzert mit alten Instrumenten? Bitte alles rechtzeitig vorher mit Haid besprechen, weil die Transportmöglichkeiten begrenzter wie früher sind.
Ihr Händelbuch [Steglich 1939a] habe ich mit grossem Genuss gelesen, es ist in seiner Gedrängtheit doch weitblickend und meisterlich. Da haben Sie wiedermal ein Meisterstück geschaffen.
Nochmals alles Gute und viele liebe Grüsse nebst nochmaligen besten Wünschen für ein glückliches 1940
von Ihren getreuen Brüdern".