Liebe Herren Rück,
als ich neulich wieder in Ihrem Hause war, hörte ich zu meinem größten Bedauern, daß Sie, lieber Herr Doktor, wieder die Abreise nach Gastein verschieben mußten, weil Sie plötzlich von Hämorr[h]oiden überfallen wurden. Das ist doch wie verhext!!! Und es ist scheußlich, daß man dabei gar nichts helfen kann! Hoffentlich hat sich dieses Leiden wenigstens möglichst rasch wieder gebessert, so daß Sie nicht so lange davon geplagt waren. Nun ist aber hoffentlich Schluß mit dieser Krankheitsserie und Sie werden doch dieser Tage mit Ihrem Herrn Bruder endlich die Reise nach Gastein antreten können und dort sich wieder kräftigen können nach diesen schlimmen Wiener Monaten.
Ich habe nun neulich endlich die neuen Wiener Instrumente in Ihrem Hause probiert. Und ich muß sagen, ich finde sie, besonders die Ehrbars, ausgezeichnet. Sie haben einen klaren und doch nicht nüchternen Ton und gute Spielart. Nur die äußere Form behagte mir bei dem einen Ehrbar nicht ganz - ein bissel steif schien mir's. Von zwei Hofmännern, die nebeneinander standen, einem kleinen und einem großen, war das kleine überraschend viel besser als das große, ein Instrument, da[s] allerlei Oualitäten hat. Das nächste Mal muß ich - soweit noch Vorrat da ist - mal ein bissel länger darauf spielen, als mir's neulich möglich war. Da läßt sich vielleicht noch mehr sagen. Ich war die ganze Zeit über sehr mit allerlei Arbeit belastet und bin noch, deshalb war ich nicht besonders ausgiebig in der Tafelfeldstraße, zumal das Herumsausen in der Stadt bei Kälte und Finsternis nicht besonders reizvoll ist.
Jetzt ist nun Gott sei Dank der Vortrag für Halle, der nächsten Donnerstag [22.2.] steigen soll, bald unter Dach - im Entwurf sogar schon fertig, aber das Insreine-Schreiben kostet erfahrungsgemäß auch noch Zeit. Dazwischen muß ich mich für den hiesigen Universitätsvortrag am nächsten Dienstag vorbereiten. Wenn's so weiter schneit, wie seit ein paar Tagen, wird die Fahrt nach Halle über den Thüringer Wald zwar gewiß ein landschaftliches, aber nicht auch ein sonstiges Vergnügen. Unter Umständen muß ich, wenn der Mittagszug zu viel Verspätung hat - voraussichtlich, mit dem Nachtzug fahren - 322 ab Erlangen. Davor graut mir's etwas. Am Abend vorher muß ich eben noch in der Hindenburghochschule Vorlesung halten.
Wenn Sie etwas in Halle bei Herrn Dr. Koch oder sonstwo auszurichten haben, treffen mich Nachrichten vom Dommerstag an unter der Adresse Halle S., Baumweg 83 bei Reinicke. Da mein Schwager und meine Schwester mich eingeladen haben, bis zum Sonntag zu bleiben und hier nichts Dienstliches in diesen letzten Tagen der Woche vorliegt, bleibe ich wahrscheinlich bis Sonntag dort. Das ist mir eine willkommene erfrischende Abwechslung, wenn es auch mit dem Vortrag und den Verhandlungen wegen der Händeloper keine reine Ausspannung ist. Aber die könnte ich wohl so wie so nicht vertragen, wenigstens wäre mir das etwas sehr Ungewohntes. Ob ich auch mal nach Leipzig hinüberkomme, weiß ich noch nicht. Bei normalen Verhältnissen täte ich es gewiß, schon um mal bei Breitkopf & Härtel nachzusehen von wegen
des 'Archivs' und weil ich ganz gern alte Erinnerungen dort auffrische und etwa auch alte Kriegakameraden besuche.
Am Montag den 28. fahre ich dann wieder zurück, habe Dienstag und Donnerstag hier in Erlangen, Mittwoch in Nürnberg Vorlesung - vielleicht geht dann auch das Musikseminar am Konservatorium wieder an. So kann ich dann frühestens am Freitag den 1. März nach München zu Maendler fahren. Ich habe mich schon für diesen Tag bei ihm angemeldet, hoffentlich klappt's! Dr. Koch schickte mir den Durchschlag seines Briefes an Maendler, in dem er mitteilt, daß Halle mit der späteren Absendung des Cembalos [später Halle, Inv.-Nr. MS-74] einverstanden ist, nur müsse es bis Ende März in Halle sein. Nun, das wird dann ja noch gut möglich sein. Denn Maendler hat gewiß gute Arbeit geliefert, höchstens daß diese und jene Finesse vielleicht noch nachzuholen wäre. Ich werde ja sehen, wie's damit steht.
In den nächsten Tagen soll angeblich die Münchener Ministeri[al]entschließung über meine 'Diäten' kommen. Es wäre nun wirklich an der Zeit!!! Ich hoffe nur, daß das Ministerium das Diätendienstalter so, wie es die Universität ihm vorgeschlagen hat, anständig festgesetzt hat. Wenn nicht, muß ich mir ganz ernstlich überlegen, irgendeine Umstellung vorzunehmen.
Alle guten Wünsche für endliche baldige Genesung und herzlichste Grüße Ihnen beiden! Hoffentlich höre ich bald von Ihnen aus Gastein! // Ihr // [handschriftl.] RudolfSteglich."