NL Rück, I, C-0873g

"Lieber Herr Prof. Steglich!

Freundlichen Dank für Ihren letzten Brief und die heute erhaltenen Separata.

Persönlich: nachdem das Röntgen keinerlei Besserung brachte, versuche ich seit 10 Tagen Kurzwellenbestrahlungen der erkrankten Nervenpartien an Hals, Schulter, Arm und Hand, die leider die Haut etwas atakieren, so dass ich sie nur alle 2-3 Tage machen kann.

Sie haben mir etwas Erleichterung verschafft, was immerhin einen Fortschritt bedeutet. Trotzdem habe ich noch Schmerzen genug. Anfang übernächste Woche will ich dann nach Gastein fahren und dort weiter mein Heil zu versuchen. Gegen ev. Arsenschäden nehme ich Natrium Thi[o]sulfat, das mir offensichtlich gut tut. Es handelt sich um eine sehr schwere Nervenentzündung, der hiesige Neurologe Prof. Wagner-Jauregg, den ich auch konsultierte rechnet bis zur Heilung im schlechtesten Fall 6 Monate. Daraus können Sie ermessen, dass mein Zustand zwar leicht gebessert, aber noch lange nicht arbeitsfähig ist.

Meine grösste Sorge ist, dass ich wenigstens die Gasteinerkur noch machen kann, solange Haid im Geschäft sein kann. Heute musste sein Auto vorgeführt werden, was mir einen grossen Schreck und sofort erhöhte Schmerzen brachte. Ich kann mich immer noch nicht allein an und aus ziehen, da li Arm und li Hand kaum gebrauchsfähig sind. Hoffentlich schafft Gastein hier Besserung.

Zum Glück habe ich hier geschäftlich Ablenkung. Es kommen in etwa 8 Tage sehr schöne nicht grosse Pianinos von Ehrbar und ein entzückendes 106 cm Modell von Laurenz Mayer in turkistanisch [türkisch] Nuss. Bitte hören Sie sich diese Instrumente an und setzen Sie sich mit Haid deswegen rechtzeitig in Verbindung, denn ich vermute, dass diese Instrumente vielleicht schon nach wenigen Tagen verkauft sind. Auch einige Hoffmann und C[z]erny Pianos und deren entzückende 145 cm Kleinflügel sind auf Lager. Wir haben die Empfindung, dass all die genannten Wiener Klaviere einen besonderen Toncharakter haben, der nicht nur romantisch und singend, sondern dabei voll tragend ist, einen Charakter, der historisch gesprochen gewissermaßen die Tradition der Graf und Streicherflügel als 'Ahnenerbe' fortsetzt. Das kleine Laurenz Mayer ist auch technisch interessant, weil es infolge des sehr schmalen Rastens nur etwas über 40 cm tief ist, dabei aber trotz seiner geringen Höhe von 106 cm gleichmäßig in allen Lagen und dazu einen schönen Bass hat. Es ist von Drzmisek konstruiert, der mir schon lange als der beste Wiener Konstrukteur bekannt ist und Inhaber der Firma Laurenz Mayer, dazu ein geborener Wiener. Wir würden uns freuen, wenn auch Ihnen dieses Kästlein so viel Freude machen würde, wie es uns gemacht hat.

Es freut mich, dass Sie in Nürnberg nun mehr lesen und ich höre mit [E]rstaunen, dass das Seminar abermals auszieht.

Wenn Prof. Richter jetzt keinen Flügel kauft, müssen wir halt warten - er aber vielleicht noch viel länger, denn mit den Lieferungsmöglichkeiten sieht es in der Klavierinsdustrie ziemlich vage aus. Wir machen die grössten Anstrengungen um noch halbwegs Ware zu bekommen, dieweilen die Kauflust andauernd abnorm rege ist.

Das Cembalo für Halle nähert sich seiner Vollendung. Und M[a]endler berichtete mir, dass es tonlich sehr charakteristisch, also historisch getreu dem Vorbild werde. Ich schlug Dr. Koch vor, Sie zu bitten das Instrument in München gründlich durchzuprüfen und zu begutachten ehe es abgesandt wird, denn Sie seien als berufener Haendelkenner dafür der rechte Mann. Dieser Vorschlag deckt sich mit unseren früheren Besprechungen, Antwort bisher ausständig. Ich bat auch Koch, M[a]endler über den Liefertermin noch etwas Zeit zu lassen (was dem Instrument sicher zu Gute kommt) und für das Eröffnungskonzert Julia Menz als Cembalistin zu engagieren, die bei ihrem kürzlichen hiesigen Konzert sehr viel Beifall hatte.

Stadelmännin [Li Stadelmann] kommt augenblicklich nicht in Betracht, weil sie Mama wurde.

Ich wäre Ihnen dankbar wenn Sie Herrn Prof. Hauck mit meinen besten Grüssen den oben enthaltenen Bericht über mein persönliches Befinden telefonieren möchten.

Inzwischen viele herzliche Grüsse von // Ihren getreuen Brüdern".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1940,01,26
Schreibort
Wien
Erwähnte Objekte
erwähnt als
Klang
erwähnte Institutionen
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Geschäft
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Erbauer(in) Musikinstrument(e)
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Käufer(in)
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