NL Rück, I, C-0873g

"Liebe Herren Rück,

nun sind Sie also wirklich in Bad Gastein gelandet! Meinen Glückwunsch zu diesem sichtlichen Fortschritt in der Genesung und die besten Wünsche dazu, daß diese nun in Gastein bald zu völliger Gesundung führe!

Wenn Ihnen Herr Dr. Koch schrieb, daß ich mich in meinem Brief an Dr. Grahmann nicht über das Äußere der Tschudi-Kopie [Halle, Inv.-Nr. MS-74] geäußert hätte, so hat er nicht mehr genau in Erinnerung, was ich dazumal schrieb. Ich zitiere wörtlich meinen Brief von 4. März an Grahmann: 'Über Sonnabend-Sonntag war ich in München und habe dort das von Herrn Maendler für die Stadt Halle nachgebaute Tschudi-Cembalo gesehen und gespielt. Es ist schon äußerlich ein Prachtstück geworden und auch klanglich hat es besondere Reize. Zufällig kam, gerade als ich bei Maendler war, auch der jetzige Betreuer des Originalinstruments [Wien, Inv.-Nr. SAM 762] dorthin, Dr. Luithlen von der Sammlung alter Musikinstrumente im Kunsthistorischen Museum in Wien. Er war überrascht, wie gut die Nachbildung im Klang und im Äußeren gelungen ist. Ich glaube, auch Sie und diejenigen, die das Instrument in Halle spielen und hören werden, werden Freude daran haben.'

Da steht doch das von der 'Augenweide', wie Sie vorschlugen, schon klipp und klar drin: 'schon äußerlich ein Prachtstück'!! Und was das Eingehen auf die Bemerkungen betrifft, die Dr. Koch seinerzeit über das Hallesche Urteil zu den Maendler-Cembali gemacht hatte: zusehr 'Klavierklang', so ging übrigens schon der erste Satz meiner Ihnen dazumal am 3. März geschickten Beurteilung zartfühlend darauf ein: 'Das Instrument hat im Vergleich mit den meisten anderen Maendler-Cembali einen weniger milden als herzhaft hellen, klaren, aktiven Klang.' Ist das nicht - bescheiden ausgedrückt: wunderbar gesagt???

In den letzten Wochen bin ich mir sozusagen als ein schwer bepackter Lastesel vorgekommen: 4 Doktoranden kamen mit ihren Arbeiten offiziell an und wollten alle noch vor Semesterschluß geprüft sein! Sie wissen, was es heißt, nur ein paar Saätze so zu stilisieren, daß man sie mit gutem Gewissen drucken lassen kann. Da können Sie sich auch vorstellen, was es heißt, solche Arbeiten zu lesen und zu verbessern, deren Verfasser sich an solchen stilischen Übungen noch kaum versucht haben. Bei einer einzigen Arbeit war in dieser Hinsicht kaum etwas zu meckern, der von Herrn Schmidt-Scherf. Andere waren desto schlimmer. Nun, bestanden haben schließlich alle vier: Hanschke, Schmidt-Scherf, Schmitt und Menke. Inzwischen liegt schon wieder eine Doktorarbeit da, deren Verfasser noch in den Ferien (!!!) geprüft [s]ein will: Ehrlinger. Nehmen Sie das alles zu den andern laufenden Arbeiten, so verstehen Sie gewiß, warum ich noch nicht dazu kam, den Hallensern nach jenem Brief an Herrn Dr. Grahmann ein ausführlicheres Schreiben zukommen zu lassen. Übrigens muss ich jetzt ja auch den dritten Akt der Händeloper 'Deidamia' für Halle fertig machen, nachdem die beiden ersten Gott sei Dank Gnade vor den Hallischen Beurteilern gefunden haben. [D]a hab ich am Karfreitag z. B. 6 Notenseiten abgeschrieben und mit Generalbaß versehen, am Samstag vor Ostern 7. gestern am 1. Feiertag 9. - insgesamt aber werden es mit dem Klavierauszug, der dann auch noch gemacht sein will, etwa 120 Seiten werden. Immerhin: es wird ganz gut bezahlt, verhältnismäßig, und es wird dann wenigstens der Klavierauszug und das Textbuch wahrscheinlich auch gedruckt.

Was die Angelegenheit mit M-rat F. [Ministerialrat Karl August Fischer] in München betrifft, so glaube ich auch, daß sich so etwas am allerbesten mündlich machen läßt. Es ist da wohl schon besser, noch zu warten. Jedenfalls vielen herzlichen Dank für Ihre freundschaftliche Bereitwilligkeit!

Ich schreibe nun also an Dr. Koch noch einige Zeilen über das Cembalo, das in den nächsten Tagen wohl in Halle eintreffen mu[ß]. Und dann: noch ein paar Seiten Deidamia, damit ich damit nicht zu sehr in Verzug gerate.

Hier im Hause ist es wieder einmal nicht sehr schön. Gisela hat zwar nun ihr Abitur gemacht und geht jetzt in den Arbeitsdienst, und Liselotte ist mit der Erlanger Oberschule (6. Klasse) fertig geworden, weiter geht es hier in Erlangen nicht, sie will daher nach Nürnberg in die Oberschule, obwohl doch der viele Schulbesuch für Mädels gar nichtso unbedingt das Beste ist und es für ihre sonstige Entwicklung viel besser wäre, sie käme einmal in eine andere Umgebung. Ich hoffe, daß der immerhin höhere Gehalt nun endlich eine Lösung der unerquicklichen Familienangelegenheiten ermöglicht.

Mit herzlichen Grüßen und allen guten Wünschen // Ihr // [handschriftl.] RudolfSteglich."

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1940,03,25
Schreibort
Erlangen
Erwähnte Objekte
Cembalo
Tasteninstrumente
erwähnt als
Detailinformation(en)
Kopie
Klang
Cembalo zweimanualig
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Vorlage(n) Nachbau