NL Rück, I, C-0873g

Handschriftlich oben: "Zu Steglich. // B.G. // Retour an Rück!"

"Urteil über die Tschudi-Cembalokopie von Maendler, München aus einem Brief an Herrn Dr. Koch, Halle, vom 25. 3. 40:

Das Instrument [Halle, Inv.-Nr. MS-74] macht schon äußerlich einen außergewöhnlich prächtigen Eindruck durch seine Größe, die schöne Tönung des Holzes, die stattlichen Broncen, die dem Original getreu nachgebildet sind (was Maendler mit einem fröhlichen und einem betrübten Auge ansieht, weil es einerseits besonders schön ist, andrerseits aber ihm unvorhergesehene Kosten verursacht hat). Ich schrieb dazumal schon dem Herrn Stadtschulrat, daß auch Herr Dr. Luithlen, der das Original [Wien, Inv.-Nr. SAM 762] genau kennt, weil er sozusagen sein Chef ist, von der Echtheit schon des Anblicks entzückt war. Ebenso aber auch vom Klang.

Im Vergleich mit den meisten andern Maendler-Instrumenten hat dieses einen weniger milden als herzhaft hellen, klaren, aktiven Klang, also wie mir scheint einen noch mehr dem alten historischen Klang gleichkommenden. (Das soll aber beileibe kein Verdammungsurteilt gegenüber jenen andern Maendlercembali sein, schließlich sind auch die alten Instrumente verschieden im Klang gewesen.) Am mildesten ist der untere 8' mit rundem, kantablem Ton. Seine tiefste Oktave war der ungewöhnlichen Saitenlänge wegen, die besondere technische Schwierigkeiten mit sich bringt (z. B. sehr große Hubhöhe der Saiten beim Anreißen) ein schwieriges Problem. Die Lösung Maendlers ergibt aber einen ganz besonders fülligen Klang, wenn man diese tiefste Oktave im vollen Satz, etwa beim Generalbaßspiel mit benutzt: sie bringt dann eine überraschende quasi-16'-Wirkung hervor, so daß die Freunde des 16'-Registers dieses hier kaum vermissen werden.

Von den beiden oberen 8' ist der helle wohl das schönste, aktivste Register des Instruments: klar, herzhaft, leuchtend. Der zweite, nasale obere 8' dagegen ist ein reizvolles, silbernes piano-Register. Vor allem bei dem hellen oberen 8' fiel mir auf, wie charakteristisch sich in den mittleren Oktaven Sopran- und Baritonlage etwa wie dieses Stimmcharaktere unterscheiden - ähnlich findet man das ja auch bei alten Clavichorden und Hammerklavieren. Wohl gerade dadurch kommt auch die alte polyphone Musik auf solchen Instrumenten so klar und farbig heraus, gewissermaßen weil jede Stimme einen Eigenklang hat, natürlich im Rahmen des Gesamtregisters. Allerdings ergibt sich daraus auch, daß die hohe Lage, besonders beim nasalen 8', nicht in der Lautstärke so über die
tiefere dominiert, wie man es später gewohnt wurde. Die alten Spieler waren aber auch weniger Individualisten, denen die laute Melodei die Hauptsache war, als Generalbaßmenschen, bei denen Höhe und Tiefe mit einander harmonierten.

Der 4' im unteren Manual ist, mit einem sozusagen glockigen Klang nicht weniger reizvoll als der helle 8'. Er ergänzt die anderen Register sehr glücklich. Besonders freute ich mich an der Verbindung dieses 4' mit einem der oberen 8' samt Lautenzug. Ein Vergnügen war es mir auch, die verschiedenen Echomöglichkeiten des Instrumentes auszuprobieren: etwa jene eben erwähnte Verbindung gegen einen der oberen 8' mit oder ohne Laute, oder 8' und 4' unten - auch mit Koppel - gegen den nasalen oberen 8' als Gegensatz von laut und leise, oder den oberen hellen 8' gegen den unteren 8' als Gegensatz von hell und milde usw. usw.

Das volle Werk klingt, zumal wenn jene tiefste Lage des Untermanuals mit ausgenutzt wird, so mächtig, daß man auch in großen Sälen zufrieden sein wird. Aber auch die Einzelregister tragen gut, soviel ich in den Maendlerschen Räumen beurteilen konnte. Alles in allem scheint mir das Instrument eine ausgezeichnete, wohlgeratene Arbeit des Meisters Maendler, ebenso wertvoll für den Historikus wie für den Praktikus. Möge es Ihnen und den Hallensern bei jedem Sehen und Hören Freude machen!"

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1940,03,25
Erwähnte Objekte
Cembalo
Tasteninstrumente
erwähnt als
Gutachten
Detailinformation(en)
Kopie
Klang
Cembalo zweimanualig
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)