"Liebe Herren Rück,
mit Schrecken sehe ich, daß Ihr lieber Brief, den ich schon seit Tagen beantworten wollte, nunmehr bereits 12 Tage alt ist! Da wird es Zeit, sich zu einer Antwort endlich aufzuraffen. Ich kann allerdings mildernde Umstände für die Verzögerung anführen: Semesteranfang hier und in Nürnberg, dazu allerlei Bemühungen um ein einigermaßen gutes Unterkommen des Seminars, da nämlich das Kollegienhaus nun doch wieder Lazarett werden soll. Es war eben der größte Teil der Bücher und auch alle Instrumente schon wieder eingeräumt im Kollegienhaus - da kam die Nachricht von dem abermaligen Auszug. Na, das hilft nun nichts. Es gibt noch schlimmere Sachen. Vielleicht komme ich in zwei Räumen der Orangerie, nahe Café Mengin, unter. Ich hoffe dann, Sie dort in absehbarer Zeit als Besuch begrüßen zu dürfen. Denn - um endlich zur Hauptsache zu kommen - ich hoffe doch, daß inzwischen Ihre Besserung, lieber Herr Doktor, gute Fortschritte gemacht hat. Wie mag wohl der Erfolg der Röntgen- und Kurzwellenbestrahlung gewesen sein? Hoffentlich mindestens so gut, als sie und die Ärzte es erwarteten! Und hoffentlich hat sich damit auch Ihre Stimmung wieder gehoben. Das wäre doch gelacht, wenn Sie nun nicht bald wieder auf die gewohnte Höhe kommen wollten! Auch sonst ist ja kein Anlaß schwarz zu sehen, wenn auch die Zeiten ernst sind. Diesmal werden wir es schon schaffen!
Wie es mit Prof. Dr. Richters Flügelkauf steht? Ich habe in den Wochen vor Weihnachten wiederholt angebohrt - ich traf sie und ihn nämlich immer zu den Erlanger Theatervorstellungen -, solange bis er mich ganz argwöhnisch fragte, was ich denn eigentlich für ein Interesse daran hätte??? Die Sache liegt so, daß 'sie' gern einen richtigen Flügel hätte, 'er' aber behauptet, sie hätten kein Geld dazu. Schade!
Für die vortreffliche alkoholische und obendrein die papierene Weihnachtsspende glaube ich mich in meinem Neujahrsbrief bedankt zu haben. Andernfalls sei das hiermit schleunigst und herzlichst nachgeholt!
Seien Sie beide herzlich gegrüßt von Ihrem // [handschriftl.] RudolfSteglich.
morgens 030, daher bitte ich // die Krakelei zu entschuldigen!"