"Lieber Herr Doktor,
daß ich so lange nichts von Ihnen gehört habe, macht mich fast ein bißchen bedenklich. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie Ihnen in Wien miesepetrige Zeitgenossen die Weltgeschichte schwarz in schwarz gemalt haben. Aber wir wollen uns doch vernünftigerweise lieber an die Tatsachen von Smolensk und Nikolajew und die vielen anderen gleicher Qualität halten als an die krankhaften (manchmal allerdings auch recht absichtsvollen, also umsmehr verbrecherischen) Miesmachereien jener Leute. Dabei hatten gerade die ostwärts der Altreichsgrenze am allermeisten Anlass, sich etwas männlicher zu geberden. Denn die haben ja nicht etwa die Wahl zwischen dem Reich und einem wiederkehrenden Ottonischen Oesterreich, sondern zwischen dem Reich und Herrn Stalin, und diese zweite Möglichkeit könnte
höchstens den Nichtariern sehr angenehm sein, für die andern bedeutet sie die ewige Seligkeit vermittels eines Genickschusses. Na, diese schöne Möglichkeit brauchen wir uns ja Gottlob nicht auszumalen, eben wegen der oben genannten Tatsachen. Also können wir vertrauensvoll weitermachen. In Ihrem Fall: sich zunächst ordentlich auskurieren in Badgastein. Dazu gehört ja nicht nur die Baderei und was sonst der Medicus vorschreibt, sondern auch die gehörige Portion von Zuversicht, ohne die alles andere für die Katz ist.
Ich bin gespannt zu hören, wie nun Ihre Entscheidung über die Sicherheitsverwahrung der Sammlung fällt. Lutze rühmte mir neulich wieder die in jeder Beziehung, auch Temperatur und Trockenheit mustergültige Anlage des Turms. Wenn der Herr Graf im Salzburgischen Gleiches erreichen will, muß er schon allerlei an Wartung aufwenden. Wie mögen Sie wohl die Verhältnisse dort gefunden haben? Instrumente, denen die winterliche Kälte nichts ausmacht, und bei denen Verpackung und Transport nicht allzu umständlich sind, wären gewiß dort ganz gut aufgehoben, soweit sie nicht in das menschlichem Ermessen nach sichere, temperaturbeständige und nach Lutzes Aussage auch trockene Nürnberger Turmgemach hineingehen.
Daß die beiden Hammerflügel nun schon am Tage vor dem Salzburger Vortrag hintransportiert werden, ist mir sehr angenehm. Denn ich muß mich unbedingt vorher dort etwas einspielen. Und das wäre zeitlich nicht möglich, wenn sie erst am Nachmittag desselben Tages ankämen und dann noch Marx oder wer sonst dabei ist sie nachsieht und nachstimmt.
Jener Regierungsmedizinalrat Dr. Fischer aus Rothenburg (Lausitz), der wegen der Mozart-Klavierwerke an das Mozarteum geschrieben hatte und dem ich auf Valentins Bitten darauf antwortete, schrieb mir kürzlich mit einer Danksagung, er wollte sich doch auch noch ein Klavichord anschaffen - Bechstein, Cembalo, Harfe (seine Frau war einmal Harfenistin) hat er schon. Hier wären eventuell Gelegenheit, ein altes Klavichord anzubieten, wenn Sie es mögen!
Ich möchte nun doch noch Anfang September ein bißchen ins Gebirge. Bitte schreiben Sie mir mal die Ginzlinger und Gmundener Adresse. Ich möchte mal dort anfragen, ob Platz ist.
Zuguterletzt die Hauptsache: Ihnen und Fräulein Luise recht gute Erholung! Hoffentlich haben Sie einigermaßen gutes Wetter und nicht allzuknappe Verpflegung!
Mit herzlichen Grüßen // Ihr [handschriftl.] Steglich."