NL Rück, I, C-0873g

Liebe Herren Rück,

schönsten Dank für ihren Brief, lieber Herr Doktor! Ich beeilte mich, ihn noch vor den Feiertagen zu beantworten, denn es wäre möglich, daß ich nach Halle fahre - vielleicht aber auch erst in der zweiten Wochenhälfte. Ich habe dienstlich in Berlin zu tun und werde natürlich die Gelegenheit benutzen, mich in Halle ein bißchen umzusehen.

Vielen Dank auch für die Moneten in Sachen der Bemühungen um die Tschudi-Kopie! [Halle, Inv.-Nr. MS-74] So etwas kann man immer gut brauchen.

Die gestrige, in Ihrer Sammlung gehaltene 'Vorlesung', die allerdings mehr eine Führung und 'Vorspielung' war, ist - wie der dabei anwesende Assistent Dr. Dreimüller meinte - zu allgemeiner Zufriedeneit der teilnehmenden Herrschaften ausgefallen. Die guten Leute staunten nur so, was da bei Ihnen für Schätze zu sehen sind davon hatten sie keine Ahnung gehabt.

Was nun der Graf betrifft, so zunächst den Wortlaut des Schildes Ihres Graf-Flügels [MIR1119]:

Conrad Graf // kaiserl.-kön. Hof- Fortepianomacher // Wien // nächst der Carls-Kirche im Mondschein No. 102

Schubert starb am 19. November 1828.

der freundschaftliche Verkehr Schuberts mit Josef v. Spaun hat bis zu Schuberts Tod gedauert. Spaun hat sich allerdings im Januar 28 verlobt - wann er dann geheiratet hat, weiß ich nicht -, es wäre also gut möglich, daß der [handschriftl. Anm.: jener von Luithlen doch ziemlich spät angesetzte] Graf-Flügel des Ehepaares Spaun erst zur Hochzeit angeschafft wurde. Genaueres kann ich augenblicklich nicht feststellen. Ich werde mich aber noch etwas weiter umsehen. Was die Schwindschen Darstellungen des Spaunschen Flügels betrifft, so kenne ich zwei. Beide stellen einen Schubert-Abend bei Spaun dar, beide gehören dem Schubert-Museum der Stadt Wien. Beide sind erst 1868 bezw. um 1886 entstanden - das mindert natürlich ihre Beweiskraft, zumal da beide Darstellungen verschieden sind. Das eine ist eine Sepiazeichnung: da hat das Gehäuse beiderseits der Klaviatur eine halbkreisförmigen Ausschnitt [Randzeichnung, siehe Digitalisat] und die Beine sind rund. Das andere ist eine Ölskizze: darauf behalte die Flügelwand auch seitwärts der Klaviatur ihre volle Höhe [Randzeichnung, siehe Digitalisat], und die Füße sind offenbar - ganz deutlich ist das bei der Reproduktion in Kobald, Schubert und seine Zeit, die ich hier habe, nicht  viereckig.

Daß Schubert bei Spaun musiziert hat, ist sicher. Aber mir ist nirgends etwas über den Flügel, den Spaun besaß, vorgekommen, nur eben diese Bilder.

Beckings Brief war mir sehr interessant, ich habe ihn gestern wieder Herrn Haid zurückgegeben. Behalten Sie nur ja den guten Marx nun für sich!!! Die Hallenser haben ihn lange genug beansprucht dank Ihres Entgegenkommen.

Allerseits gute Feiertage und weiterhin recht gute Fortschritte in der Genesung!

Mit herzlichen Grüßen // [handschriftl.] IhrSteglich."

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1940,05,09
Schreibort
Erlangen
Erwähnte Objekte
Cembalo
Tasteninstrumente
Hammerflügel
Tasteninstrumente
erwähnte Institutionen