NL Rück, I, C-0873g

Beilage zur Karte vom 1. Jaunar 1942.

"Mozart

im Lichte der Spätromantik.

Der Mozartabend von Edwin Fischer und seinem Kammerorchester berührte seltsam in einer Zeit, die aus den Irrungen und Verzerrungen vergangener Jahrzehnte einen neuen und, wie wir glauben dürfen, rechten und reinen künstlerischen Begriff des Genius Mozart gewonnen hat. Denn die Mozartauffassung von Edwin Fischer ruht — abgesehen von der stark persönlichen, durchaus stilfreien Färbung einzelner Züge — in der Geisteshaltung der Spätromantik, die verschwimmende Konturen der klaren Linienführung vorzieht und die kernhafte Frische eines im edlen Sinne naiven Musizierens mit Spitzfindigkeiten der Dynamik, Agogik und Phrasierung auszuschmücken sucht. So sind Wohl die weichen Pastellfarben und die fast impressionistisch anmutenden interessanten pianistischen Effekte zu verstehen, die Edwin Fischer dem Klavierpart des Konzertes in c-moll und des Rondos in D-dur gab. Im Gegensatz zu dieser ausgesprochen modernen, etwa im Sinne Liszts gestalteten Klavierbehandlung und zu dem von Mozart betont selbständig und virtuos geführten Klaviersatz stand die Einbeziehung des Klaviers, in den Klangkörper des Orchesters in der Weise der Concerti grossi aus dem 17. Jahrhundert durch die „Personaleinheit" von Dirigenten und Solisten, eine Divergenz, die sich auch in technischen Einzelheiten bemerkbar machen mußte.

Wenn Edwin, Fischer als Dirigent — sein „Dirigieren" ist mehr ein gestisches Nachgestalten der Musik — für sein Kammerorchester gerade die Sinfonie in Es-dur gewählt hat, so ist dabei eine durch die kleine Orchesterbesetzung bedingte Gefahr der Umdeudung nicht zü vermeiden. So überzeugten am meisten die außerordentlich leicht und fein geformten Mittelsätze, die die Spielkultur des Orchesters besonders deutlich zeigten. Der klangliche Ausgleich zwischen Werk und Wiedergabe erschien glatter in den Klavierkonzerten und in der Ballettmusik aus „Idomeneo", die freilich am Ende eines so umfangreichen Programms den Zuhörern mengenmäßig fast zu viel, zumutete. Edwin Fischers eigene Bearbeitung der „Fantasie für eine Orgelwalze für Streichorchester wurde in ungewohnt straffem Tempo musiziert. Edwin Fischer und sein Kammerorchester fanden beim Publikum bedingungslose Anerkennung ihrer Darbietung."

[Handschriftl. Fränkischer Kurier // 31. Dez. 1941."

Absender/Urheber Institution
Datum
1941,12,31
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erwähnt im Zusammenhang
Konzert
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