NL Rück, I, C-0873g

"lieber her professor steglich!

vielen dank für ihren lieben brief vom 19ten. ich hatte jetzt unter einem fast 14 tage dauernden föhn zu leiden, der meine schmerzen erhöhte, heute scheint er endlich vorüber zu sein, er brachte zwar sonnen, aber entsetzlichen wind, so dass man sich nicht im freien halten konnte. mit dem baden muss ich langsam vorgehen, so dass die besserung langsam weiter geht. wagnern-jauregg wird schon recht haben, dass es herbst wird, bis ich halbwegs wieder in ordnung bin, d.h. der linke arm wieder richtig tut. allmählich gewöhne ich mich ans maschinenschreiben auch, so gehts wenn auch langsam wieder ein stück weiter. mit dem laufen gehts auch besser, nachdem ich die injektionen 'hinter' mir habe, es werden über 50 gewesen sein. an brust- und schultermuskel ist ein schwund, der von der ernährungsstörung der nerven kommt und später durch gymnastik, die ja jetzt sehr modern ist, beseitigt werden soll. so werd ich auch noch modern!

für die besuche ihrer hörer steht die sammlung abends natürlich offen. der ganze erste stock ist 'vorschriftmässig' verdunkelt, was mir im september enorme nervenarbeit kostete, bis dieses problem gelöst war. sie können also auch bei uns abends kommen. im 2. stock dürfte die verdunklung auch genügen für eine kurze durchsicht, denn gegen die jahnstrasse sind läden und fenstervorhänge, gegen die tafelfeldstrasse die fenster blau gestrichen, mindestens gewesen. bitte kontrollieren sie das mit käser oder fr. luise durch, denn wenn die oberlichter gegen die tafelfeldstrasse nicht blau gestrichen wären, müsste man papier einlegen. jedenfalls ist der erste stock betriebsicher. es wird gut sein, wenn sie mit hr. haid besprechen, wann sie kommen wollen mit den hörern, damit sie ins haus herein können und jemand, hr. käser oder luise anwesend ist. auch müssten die instrumente halbwegs in stimmung gebracht sein, was sie bitte auch mit hr. haid besprechen wollen. wegen des eintrittsgeldes halten wirs wie n. früher nahmen wir m. w. 30 pfg., ist an sich keine bedeutende Sache, kann auch gratis gehen. evtl. nehmen sie ihr pädagog. seminar mit? das bleibt alles ihnen überlassen.

es freut mich, dass sie endlich wieder einen wissenschaftler als assistenten erhielten und dadurch eine hilfe haben. die vorgänger legten mehr wert aufs promovieren. übrigens: sie beklagten sich, dass die dissertationen immer zu spät und selbst in den Ferien kamen. zu meiner zeit mussten die arbeiten allerspätest 4-6 Wochen vor semesterschluss eingereicht werden und diplome gabs erst nach eingereichten gedruckten arbeiten. führen sie dies auch ein. und in den ferien würde ich die herrschaften hinausbekomplimentieren, besonders solche, die jahrelang auf sich warten liessen. und denen es dann plötzlich furchtbar eilt. solche unzuverlässige kantonisten könnten dann auch warten. wir haben auch solche 'kunden' zehn jahre nicht stimmen, dann aber heute bestimmt noch.

halle lässt leider gar nichts mehr hören, das Cembalo [Halle, Inv.-Nr. MS-74] liess bis vor wenigen tagen auf sich warten, ist aber jetzt dort.

übrigens probierte ich in wien das original [Wien, Inv.-Nr. SAM 762] im 8fuss bass und stellte fest, dass die untersten oktavetöne ebenfalls schwer ansprechen, bezw. nicht mehr klingen: bestimmt der grund, warum man später auf 5 oktaven ging, obwohl er nicht stichhaltig ist, denn im tiefen keller spielt keiner ein solo, mindest nicht, wenn er noch nüchtern ist.

schade dass der hallenser vortrag nicht stattfand, oder ists gut, so konnten sie als berufener das cembalo vorführen. maendler reguliert es übrigens später einmal nach, jetzt ist noch zu früh. so schrieb er mir gestern. ob halle den rest der nichtgelieferten instrumente heuer abnimmt, darüber hörte ich auch nichts mehr. vorerst konnte ich mich auch nicht damit abgeben, erst will ich einmal gesund werden. es machte mir eine riesenanstrengung, wenigstens noch einiges dorthin aufden weg gebracht zu haben: sicher hat der gute koch wenig ahnung, welche riesenhafte kleinarbeit mit verbunden ist, um ihm alles mundgerecht zu senden. ich bin froh, dass ich jetzt marx wieder für uns haben kann, die hallenser arbeiten nahmen ziemlich ein jahr ihn in anspruch. nach anderer seite lassen wir uns auf solche arbeiten nicht mehr ein, die belastung ist auch für uns eine enorme. jetzt denken wir wieder zuerst an unsere Sammlung. übrigens ist bald wieder ein spinett fertig, diesmal der 'schweinskopf' [MIR1092], die überaus seltene form, nach der wir 10 jahre suchten. im deckel ein sehr schönes bild im alter bezw. richtiger im stil, u. in der zeit des Giorgione entstanden, vermutlich venezianisch oder eine arbeite des d. pisaurensis. die signatur auf der rückseite der vorderen tastenabschlussleiste ist natürlich falsch.

wir würden uns freuen, wenn sie doch noch nach halle kämen.

wurden sie mit dem bärenreither einig?

wenn im trimester eine vorführung zustande käme bitten wir sie, die instrumente frühzeitig zu bestellen, denn die transporteure stehen vielleicht nicht immer so präzise zur verfügung wie früher.

mit bestem danke für ihre guten wünsche sind wir // unter herzlichen grüssen // ihre".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1940,04,25
Schreibort
Bad Gastein
Erwähnte Objekte
Cembalo
Tasteninstrumente
Cembalo zweimanualig
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vergleichsobjekt(e)
Spinett (Querspinett)
Tasteninstrumente
erwähnt als
Restaurierung
Detailinformation(en)