NL Rück, I, C-0455

"Lieber Herr Klinckerfuss!

Ihre gesch. Zeilen, an unseren Herrn Dr. Rück gerichtet, habe ich heute nach Badgastein, Hotel Krone, wo sich Herr Dr. Rück noch befindet, weitergeleitet. Anfang September unterbrach Herr Dr. Rück seine Kur, da er hier dringendes zu erledigen hatte und so anlässlich seines Nürnberger Besuchs auch nochmals die Evakuierungsfrage der restigen historischen Instrumente akut wurde, nachdem der Angriff Ende August auf Nürnberg nicht von Pappe war.

Wir haben bereits wieder 2 Riesenmöbelwagen nach Hersbruck, 30 km von Nürnberg entfernt, evakuiert, am nächsten Freitag steigen drei weitere Waggons, im übrigen haben wir auch den grössten Teil unseres Musterlagers nach Hersbruck in gemietete Räume geschafft, um die Risiken so gut wie möglich zu verteilen, da unser Nürnberg uns in der Zukunft auch nicht ganz geheuer erscheint.

Wir haben zwar viele Mietklaviere draussen und der Angriff hat uns bis jetzt auch in dieser Richtung nicht stark geschädigt. Lediglich ein Mietklavier wird bis jetzt als getroffen gemeldet, der Schaden mit ca. RM 250.- wird vom Oberbürgermeister [Willy Liebel] Nürnberg übernommen. Das Klavier, ein fast neues 'Seiler', stand in einem total ausgebrannten Schulhaus und konnte ziemlich gerettet werden, direkt ein Glück!

Einen Teil unseres Neulagers haben wir noch nach auswärts gut vermietet.

Der Verkauf ist natürlich so gut wie null, wir erhoffen lediglich ab und zu ein Instrument auf Grund der Dringlichkeits-Bescheinigungen, die die Arbeitsgemeinschaft Reichsmusikkammer - Musikinstrumenten-Gewerbe, Berlin W 8, Leipzigerstr. 103, ausstellt, zu bekommen. Bis jetzt wurden uns 5 Instrumente auf D-Bescheinigungen bestellt. Allerdings sind die Lieferzeiten ziemlich weit hinausgeschoben und es besteht dann leicht die Möglichkeit, dass eines Tages wiederum die D-Bescheinigungen, weil zuviel ausgegeben, in die Luft fliegen und neue Bestimmungen in Kraft treten. Dann geht es wieder von neuem los!

Sie können für die Einlagerung von neuen Instrumenten bei Klavieren pro Monat RM 10.-, bei Flügeln pro Monat RM 12.- bis 15.- verlangen, alle Risiken zu Lasten der Eigentümer. Auch die Pflege der Instrumente übernehmen wir nie, d.h. lediglich gegen Berechnung. Wenn also beispielsweise ein Flügel bei uns vor zwei Jahren gekauft und bisher gelagert, nunmehr abgeliefert wurde, berechnen wir dem Kunden das Reinigen, völlige Nachregulieren und Stimmen, wie auch das Nachpolieren. Mit diesen Forderungen haben wir bisher keinen Anstand bekommen. Wenn nämlich der Kunde das Instrument bei sich hätte, müsste er ja die Pflege auch bezahlen. Das hat mit der Einlagerung an und für sich nichts zu tun. Die Spediteure nehmen es ja auch nicht von den Toten!

Herr Jecklin-Zürich hat uns das Rädchen für Ihre Spieldose zugesagt. Wir rechnen bestimmt, das Ding zur Ergänzung Ihrer Dose zu bekommen, damit Sie zeitig noch die Uhr zum kommenden Friedensfest in Gang bringen können.

Im übrigen will ich auch endlich das Ihnen bei meinem letzten Stu[tt]garter Besuch gegebene Versprechen einlösen, indem ich Ihnen soeben etwas Bonbons für Ihre Kinder zuschicke. Damit habe ich dieses Versprechen aus meinem Erinnerungsbuch gestrichen. Entschuldigen Sie die Verspätung, aber ich hatte in den letzten Monaten dauernd viel zu tun, alles geht recht umständlich, zumal wenn man Evakuierungen durchführen soll. Es fehlt eben hint und vorn nicht nur an Verpackungsmaterialien, sondern auch an Arbeitskräften, zuguterletzt noch an Transportgelegenheiten.

Ihnen und Ihrer gesch. Frau Gemahlin recht herzliche Grüsse, von Herrn Dr. Rück hören Sie weiteres aus Badgastein, // von Ihrem

 

NB. Heute schreibt mir Herr Dr. Ibach zu unserem grössten Leidwesen, dass Herr Schweissgut in Karlsruhe lediglich noch einen Haufen Schutt präsentiert. Ferner verlor Bechstein in Mainz und Bremen je 1 Konzertflügel, in Köln 2, in Hamburg 3 Instrumente. Das ist natürlich schrecklich und gibt uns erneut die Bestätigung, dass es einzig und allein richtig ist, die Risiken auf verschiedene Plätze zu verteilen. Dennoch wollen wir hoffen, verschont zu bleiben, auch wenn unsere Stadt aufs erste Mal zur Genüge heimgesucht wurde."

Absender/Urheber Person
Absender/Urheber Institution
Empfänger Person
Datum
1942,09,17
Schreibort
Nürnberg
Erwähnte Objekte
erwähnt als
Reparatur
Bauteil(e)
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Suche Mitarbeiter(in)
Auslagerung
Transport
erwähnt im Zusammenhang
Kriegsfolgen
erwähnt im Zusammenhang
Kriegsfolgen
erwähnte Ereignisse
Typ des Ereignisses
Auslagerung
Nürnberg
Hersbruck
1942,09