"Mein lieber Herr Kreutz!
Endlich, werden Sie denken eine Nachricht! Vor allem meinen allerherzlichsten Dank für den Speck: damit haben Sie mir nicht nureine grosse, sondern nicht minder auch ein sehr nahrhafte Freude gemacht! Vielen lieben Dank für dessen Besorgung, zugleich aber die Bittemir mitzuteilen, was ich Ihnen dafür schulde, bezw. mit was ich michraschest revanchieren kann. Ich stehe also stramm in Erwartung Ihrerlieben Wünsche, die mir Befehl sein werden!
Nun zum Grund meines Schweigens: ich überarbeitete mich im letztenVierteljahr s[au]mässig und kam am 23.12. nach Kitzbühel, um mich zuerholen. Am 1.1. früh sechs bekam ich einen Herzanfall (Collaps),der bis gegen halb acht dauerte, dann langsam abebbte und bis um 9 Uhrder Arzt kam, hatte ich mich schon etwas erholt. Aber so etwas ist einganz scheussliches Gefühl. Dazu hatte ich eine Rachenstörung, ganz trockenen Hals. Am 3.1. kam mein Wiener Professor, der das Ganze alsAuftakt einer Grippeinfektiom bezeichnete und am 9.10. Tag kam nachFieber eine Pfunds-Schwitzerei, auf die mirs dann wohler wurde. NachWochen fast ganztägigen Liegens konnte ich am 24ten nach Salzburgfahren und dort 5 Tage arbeiten, die mich aber doch anstrengten, sodass ich froh bin, jetzt hier zu sein, um 14 Tage noch auszuspannen.Gegen meine Neuritis werde ich zwar täglich massiert, aber das erfrischtmich. Gegen Februarmitte muss ich heim, weil Haid wahrscheinlich anfangMärz unaufschiebbar einrücken muss und ich dann mit dem Bürofräuleinallein ha[us]en werde.
Nun ja, es geht das Gerücht, dass kommende Woche vielleicht die ganzeKlavierfabrikation eingestellt werden soll, dann wirds sowieso ruhigwerden. Was eigentlich schon jetzt der Fall ist, nachdem die Fabrikanten eigentlich schon seit Wochen nichts mehr liefern. Für uns Händler,die wir nicht umstellen können, eine sehr schwere Sache. Aber sie muss durchgefochten werden irgendwie.
Ich habe mir Aufträge für Restaurierungen gesichert, um damit auch etwas verdienen zu können und um mir meine Leute nach Möglichkeit halten zu können. Mein Berieb ist jetzt dem Landeskulturwalter unterstellt. Ich habe da Staatsaufträge von Museen.
Nun zu unserem Lieblingsthema: Ich danke Ihnen sehr für Ihre mir stetsso wertvollen Ratschläge und sende Ihnen heute die Fotografie desResonanzbodens des Salzburger Clavichords [wahrscheinlich Salzburg, Kat.-Nr. 45]: es ist die Unterseitedes Bodens, wo sich der bürgerl. Büchsenacher verewigt hat. Der Bodenist also nicht mehr original. Darum sind mir Ihr Vorschriften wertvoll.M.E. brauchen wir aber noch ein Foto des ganzen Clavichords: das sendeich Ihnen sobald ich zurück in Nbg bin und halbwegs Zeit frei machenkann, um es selbst zu fotografieren. Denn die zünft. Fotografen habendazu we[der] Zeit noch Befähigung.
Weiter: gestern unterschrieb ich das Uebernahmeprotokoll für Mozartseigenes Clavichord. Es wird im Februar zu mir kommen und ich werde Ihnen dann Einzelheiten nebst Fotos zuleiten. Es auch genau nach IhrenVorschriften vermessen. Der Boden muss heraus, kommt aber wieder hinein und an den akust. Grundlagen wird nichts geändert. Den alten Bezugmessen wir durch, er dürfte aber bestimmt nicht mehr in allen Teilenoriginal sein, denn man sieht allerhand neue und falsche Seiten schonmit blossem Auge.
Nun zu den Tastenführungen: dass diese geräuschlos gehen, darauf legteschon Marx immer den grössten wert. Er bearbeitete sie sehr sorgfältigund glättete sie allseits, dann liefen sie auch geräuschlos. Nach alten [...] macht er meiner Erinnerung nach die Zungen aus ff. Buchsbaum, das sichsehr schön bearbeiten lässt und wunderbar gleitet. Sie müssen, wieich mich zu erinnern glaube, allseits abgerundet sein. Ich weiss nurmomentan, dass er allergrössten Wert auf genaueste feinste Ausarbeitunglegte. Dann kommen die Achsenstifte: sie geben ebenfalls sehr oft Ursac[he]übelsten Geklappers, insoferne die Fünrungen ausgeleiert sind. Natürlic[h]wird bei der Restaurierung alles beachtet, um die Nebengeräusche nachMöglichkeit weg zu bringen. Die sie sehr stören. Auch der Auf[?] desTastenhebels muss besonders beachtet werden. Nun: ich erinner[?] [mi]ch dieser angeführten Punkte aus früheren Restaurierungsarbeiten. Diebevorstehenden Arbeiten werden mir Veranlassung geben, genau auf[zupas]sen wie ein Lehrling. Ich weiss nur, dass die Copie des Dominicu[s Pi]saurensis Clavichords (1540 oder 33) aus der Leipziger Sammlung, diemir Marx machte [MIR1068] genau nach dem Original, keinerlei Nebengeräusche auf weist. Sie ist auch in den verwendeten Hölzern dem Original genau nachgebildet. Gehäuse ist Cypresse.
Meine Sammlung ist zum wertvolleren Teil in nähe Salzburgs auf einemSchloss umgesiedelt worden aus Luftschutzgründen, das Clavichord ist dabei, ebenso das Silbermann [MIR1061].
Hoffen und wünschen wir beide aus vollem Herzen, dass die Zeit nichtallzuferne sein möge, in der ich meine Instrumente wieder holen kann undwir alle zwei kräftigst fachsimpeln können!
Ich bleibe hier etwa 15 Tage zum massieren meiner Neuritis des linkenArmes und der linken Schulter, die mir allerhand Schmerzen in Kitzbühelmachten. Das Massieren tat mir immer gut.
Nun aber zur Hauptsache, die mir vor allem am Herzen liegt!Wie geht es Ihnen? Meine allerbesten Wünsche für Ihr leibliches wieseelisches und geistiges Wohl sollen diese Zeilen in die Ferne begleiten, Sie sollen wissen, dass liebe, alte Freunde immer mit Ihnen imGeiste sind!
Kann ich Ihnen mit irgend welchem Lesestoffe dienen? Bitte zu schreiben, was Ihnen liegt. Interessiert Sie das Mozartheft der Pause, Wien?Es kam vom Reich heraus: das Wort Clavichord aber fehlt!!
[S]eien Sie zum Schlusse im Geiste umarmt und allerherzlichst gegrüsst // von Ihrem alten, getreuen".