NL Rück, I, C-0482d

Lieber Herr Doktor,

vielen Dank für Ihren lieben Brief v. 21.8.

Mit der Ansicht, die Sie über die Berippung der Clavichorde entwickeln, kann ich mich nicht einverstanden erklären.

Zunächst möchte ich betonen, daß ich beim Mozart-Clavichord mich durchaus nicht auf eine Längsrippe versteifen möchte. Im Gegenteil: als ich die großen und deutlichen Aufnahmen des Instruments gesehen habe, merkte ich, daß der Steg im Baß stark gekrümmt ist, was gegen die Annahme einer Längsrippe spricht.

Wie dem auch sei, man durfte die Zahl der Rippen nicht eigenmächtig vergrößern. Was noch schlimmer ist: Marx hat - was beim Originalinstrument nicht der Fall war - die Rippen in den Stimmstock eingelassen, während sie nur bis zu diesem gehen sollten.

Dieses Einlassen der Rippen in den Stimmstock und in die Brücke ist eine ganz abscheuliche, historisch nicht belegte Unart, die dem Resonanzboden die Schwingungsfreiheit nimmt. Leider ist diese Unart sehr verbreitet. Schon der Restaurator von Paul de Witt verhunzte dadurch viele Instrumente.

Wenn Sie Bedenken wegen der Festigkeit des Resonanzbodens gehabt haben, so könnte man wenigstens die Kopie genau nach dem Originalinstrument machen, d. h. mit zwei Rippen und ohne Einlassen desselben in den Stimmstock. Dann würde man den Unterschied im Klangcharakter sehen können. So aber sind beide Exemplare à la Marx verdorben.

Die Ansicht, daß die Zahl der Rippen wenig Einfluß auf den Toncharakter des Instruments hat, kann ich nicht teilen. Was Sie mir über den Vergleich des Original-Instruments mit der Kopie schreiben, ist sehr lehrreich und spricht ganz für meine Theorie, daß es besser ist, den Resonanzboden neu zu machen, als den verbrauchten alten durch stärkere oder zahlreichere Rippen zu stützen. Selbstverständlich kan man bei historischen Instrumenten die alte Decke nicht ohne Weiteres entfernen. Aber in diesem speziellen Fall war doch die Gelegenheit geboten, beim Bau der Kopie die Klangwirkung des Instruments in reiner ursprünglicher Gestalt, doch aus frischem unverbrauchtem Holz gebaut, zu prüfen. Natürlich wird ein neues Instrument nie so schön klingen wie ein eingespieltes, aber man kann doch wertvolle Schlüsse ziehen.

Der Vergleich mit dem Geigenbau stimmt nicht. Bei den Geigen ist die Decke durch die Stimmen gestützt, was bei den Klavieren nicht der Fall ist (die Ausnahme, die ich Ihnen nannte, ist übrigens authentisch, denn das Klavier fand ich auf einem Dachboden in einem furchtbaren Zustand. An ihm war sicher noch nichts gemacht). Aber auch bei den Geigen muß die Decke alle 40-50 Jahre abgeleimt und neu gespannt werden, was man bei den Klavieren nicht machen kann.

Ich kann Ihnen darüber nicht gut schreiben, denn ich müsste ganze Bände füllen. Wir können aber - sollte ich einmal zurückkehren - uns darüber eingehend unterhalten.

Wie dem auch sei: Sie schreiben ja selbst, daß [es] bei der ursprünglichen Stimmung (1/2 Ton unter normal A) zwischen dem Original und der Kopie praktisch keinen Unterschied gibt. Spricht es nicht ganz für meine Theorie?

Nun genug des Fachsimpelns!

Ich wünsche Ihnen von Herzen recht gute Gesundheit. Daß die Massagekur von Erfolg war, freut mich aufrichtig. Trotz aller Krankheiten scheint Ihre Konstitution doch gut zu sein (Bayerische Wertarbeit aus der Vorkriegszeit!).

Was mich anbelangt, so geht es mir äußerlich gut, d. h. vorläufig, denn mir steht eine Versetzung bevor, die mir meinen Urlaub kosten kann. (Bei jeder Versetzung wartet man von vorne darauf).

Mit herzlichen Grüßen bin ich in alter Treue // Ihr // AKreutz".

 

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1942,08,29
Erwähnte Objekte
Klavichord
Tasteninstrumente
erwähnt als
Restaurierung
Detailinformation(en)
Klang
Bundfreies Klavichord
Tasteninstrumente
erwähnt als
Nachbau
Vergleichsobjekt(e)
Klang
erwähnte Personen
erwähnte Ereignisse
Typ des Ereignisses
Restaurierungsethik
Involviertes Objekt
Klavichord