NL Rück, I, C-0482d

"Mein lieber Herr Kreutz!

Herzlich Dank für Ihren Brief und die Karte. Es ist nett, dass Sie meinen Wink mit dem Zaunpfahl gleich verstanden: natürlich suche ich eine Kantele. Nachdem Sie jetzt meinen Wunsch kennen, nehme ich an, dass Sie die Fotocopie nicht mehr brauchen und wenn dem so ist, so bäte ich Sie, diese zu senden an meinen Vetter:

Technischen Kriegsverwaltungsrat Dr. Albert Bess, // 46719.

Er ist nämlich in Ihrer Nähe in R..a, und ich versprach ihm das Separatum über die Kantele,. Er will seinerseits versuchen, über das Musikwiss. Inst. der dortigen Universität eine Kantele zu ergattern. So hätte ich zwei Eisen im Feuer, die für mich suchen. Sollten Sie aber die Fotocopie behalten wollen, so schreiben Sie mir bitte, dann lasse ich eine 2te für Bess machen und sende sie ihm von mir aus. Wegen Bezahlung: ich kann Ihnen schon Tabak und Schnaps senden: aber wie? Da ich Nichtraucher bin, geht das ohne weiteres. Kann man Ihnen ein Paket schicken? Dann helfe ich sofort alkoholisch nach, nicht nur à conto Kantele, sondern auch zu Ihrer leiblich-seelischen Notdurft. Da l[a]ss ich mich nicht lumpen für den alten getreuen Freund Kreutz!

Wenn er mich auch in seinem Brief betr. Clavichord zusammengebügelt hat!! Meines Erachtens zu Unrecht: das Instrument ist nämlich tonlich sehr schön geworden!! Alles ist begeistert. Hoffentlich auch Sie, wenn Sies einmal spielen. Also: Nebengeräusche sind keine dabei. Die hat Vater Marx tadellos entfernt. Nun zum Resonanzboden: aus den Fotos ersehen Sie, dass das Cl. keine Längsrippe gehabt hat: somit konnten doch wir auch keine hineinbauen. Es hatte zwei erbärmlich windige Querrippen, die keinerlei Wert hatten. So entschlossen wir uns zu der -wie Sie ja auch schreiben historisch verbürgten Art von 3 Querrippen, in der Silbermann'schen Anordnung. Foto davon sandte ich Ihnen ja von meinem Silbermann [MIR1061]. Sonst haben wir auch rein historisch keine Sünde begangen, denn Sie schreiben selbst: entweder 1 Längs- oder 3 Querrippen. Diese wurde da, wo der Steg oben drüber läuft ausgestochen wie die alten Rippen, also auch hier historische richtig gemacht. Der schöne singende Ton des Instruments beweist, dass wir richtig handelten.

Nun zu den alten angeblich verbrauchten Böden nach 15 Jahren: in dieser Zeit hat sich die Holzsubstanz bestimmt nicht verbraucht. Z.Zt. arbeitet Sprenger Frankfurt über die Holzstruktur alter Geigendecken mikroskopisch mit dortigen Wissenschaftlern zusammen: Ergebnisse lassen Sie sich bei Sprenger ansehen. Nach Ihrer Verbrauchstheorie müssten wir ja in jedes Cembalo und jeden älteren Hammerflügel neue Böden machen. Was sich verbraucht ist vielleicht die Berippung: diese gibt nach durch den Druck und sehr oft waren die Rippen schlecht geleimt und hatten sich gelöst: so auch bei dem Mozartclavichord. Ob der Boden noch aus Mozarts Zeit stammt, kann niemand entscheiden. Fest steht aus der Stimmstockfotografie aber das eine, dass die Wirbel dreimal bereits versetzt waren. Somit ist anzunehmen, wenn man das Instrument gegen 1780 ansetzt, dass der jetzige Boden nicht mehr aus Mozarts Zeit stammt. Aber wir mussten ihn belassen aus Pietätsgründen. Abgesehen davon: die Stiftung kann doch unmöglich alle 15 Jahre einen neuen Resonanzboden mit Bezug einbauen lassen, denn von allem abgesehen (wie Unmöglichkeit dafür geeignete Reparateure zu finden) würde das Instrument dadurch enorm leiden. Hier handelte es sich doch in allererster Linie um Konservierung für Jahrzehnte. Denn wenn mit zwei solsch schwachen Rippchen - die der Saitendruck keine 2[?] Jahre standhielten - der Boden schon vielleicht nach dem Bezug wieder eingedrückt wäre, wäre unsere Arbeit umsonst gewesen. Das konnten wir nicht verantworten. Darum entschieden wir uns für die Silbermannsche 3rippige Anordnung.

Ob das Ausstechen der Rippe unter dem Steg Wert hat, kann ich nicht entscheiden: ist Ihnen darüber etwas bekannt?

Sie schreiben, die alten Clavichorde wurden alle 15 Jahre mit neuem Boden versehen? Ist darüber irgend etwas in der Literatur bekannt? Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Silbermannclavichord alle 15 Jahre neuen Boden brauchte. Da komme ich nicht mit vom rein kunsthandwerklichen Standpunkt aus, der natürlich auch berücksichtigt werden muss.

Wir verwenden gerade bei histor. wertvollen Spinetten und Cembalos auch wenn Sie aus dem 15. Jahrhundert stammen immer wieder die Böden, flicken und be[?]en sie und haben tonlich damit in 45jähriger Erfahrung die besten Resultate erzielt. Allerdings: es kommt ganz allein darauf an, wer und wie er den betr. den Boden richtet!! Markneukirchner Arbeit darf das nicht sein! Sondern allerbeste Arbeit, wie sie Hartmann und Marx machen. Wenn der alte Boden durchgedrückt ist, ists immer ein Zeichen, dass entweder die Rippen lose gewesen sind (in den allermeisten Fällen fanden wir das) oder gänzlich ungenügend dimensioniert waren, so dass sie den Boden nicht halten konnten. Schließlich waren die alten Instrumentenbauer ja doch nicht lauter gute Meister: wir haben da sehr viel offensichtlichen Pfusch gesehen.

Ich glaube also, dass sie nach meinen heutigen Darlegungen sich ein wenig beruhigen werden, denn Sie [unleserlich] daraus ersehen, dass wir alle  Umstände nach Für und Wider abwägen, [unleserlich] wir uns so entschlossen. Und der Erfolg tonlich hat uns Recht gegeben.

Die Fotos folgen gleichzeitig, es sind 18 grosse und eine kleine Fotografie, zusammen Mark 18[?]. Ich bitte Sie aber, die Fotos nicht aus der Hand zu geben, da es sich um vertrauliche Aufnahmen handelt, die nur für das Archiv der Stiftung und für das meine bestimmt sind. Nur Sie allein bekommen die Copien, schon weil ich weiss, dass Sie sich dafür mächtig interessieren. Und überhaupt immer ein netter Kerl sind, auch wenn Sie schimpfen!

Nun genug Fachsimpelei. Ich fahre [?]morgen nach Wien zu meinem Arzte, um mich wieder [?] Wochen massieren zu lassen, ich kanns wieder brauchen, meine ich. - Mit dem Clavichord machten wir drei Konzerte, Programme inliegend, alles war begeistert. Steglich spielte sehr schön und spielte sich schon ein. Die Hammerflügelcopie ist wunderbar im Tone geworden, auch die Clavichordcopie hat ganz den Charakter des alten Instrumentes.

Noch eine Frage zum Schluss: die Messingtangenten spielen sich doch im Laufe der Zeit etwas in die Saitenchore ein: welchen Einfluss hat das auf den Toncharakter des Instrumentes? Haben Sie einmal darüber nachgedacht? Meines Erachtens macht das etwas aus.

Für heute Schluss und viele herzliche Grüsse! Bleiben Sie wohlauf und auch weiter gewogen // Ihrem getreuen".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1942,07,17
Schreibort
Nürnberg
Erwähnte Objekte
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Foto(s)
Detailinformation(en)
Bundfreies Klavichord
Tasteninstrumente
erwähnt als
Vorlage(n) Rekonstruktion
Vergleichsobjekt(e)
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Restaurierung
erwähnt im Zusammenhang
Eigentümer(in) Musikinstrument(e)
erwähnte Ereignisse
Typ des Ereignisses
Restaurierungsethik
Involviertes Objekt
Klavichord