"Lieber Herr Doktor,
wie Sie sehen, bin ich augenblicklich in Stuttgart. Zunächst war ich im Urlaub, dann wurde ich von dem Truppenarzt krank geschrieben und werde nun im Lazarett behandelt. Mein vermeintlicher Rheumatismus hat sich als eine Gelenkentzündung entpuppt, die jetzt schon ziemlich verbummelt ist.
Zuerst wurde ich mit Kurzwellen behandelt, die keine Wirkung hatten, dann ist man dazu übergegangen, mich mit Röntgenstrahlen zu behandeln. Ich hoffe sehr, daß diese Sache für mich später keine nachteiligen Folgen haben wird,. d. h., daß ich wieder ungehindert Clavichord spielen kann.
Für Ihre beiden Briefe danke ich Ihnen herzlich. Das Clavichord aus dem Museum, welches Sie fur die Hochschule restaurierten [wahrscheinlich Salzburg, Kat.-Nr. 45], ist nicht hervorragend. Die Rippe, die der gute Büchsenmacher samt dem Boden eingesetzt hat, sitzt gut, sie scheint dem Original nachgebildet zu sein. Nur ist sie mir etwas zu massiv. Vielleicht täusche ich mich auch: das Photo gibt doch keine so klarem Vorstellung wie das Original.
Das andere Clavichord, das Originalinstrument Mozarts, hat mich ganz begeistert! Es ist eines der schönsten Clavichorde, die ich je gesehen habe (und ich habe schon viele gesehen). Jede Einzelheit deuten bei ihm auf einen großen Meister. Beachten Sie z. B. die schöne Führung der Tastenhebel, oder den Steg von geradezu klassischer Form, die ausgewogene Teilung des Stimmstockes, die Dämpfung im Bass mit dem schönen Abstand des letzten Tastenhebels von den Anhängestiften usw., usw. Dieses Instrument könnte nur ein ganz großer Meister erbaut haben: Chr. E. Friederici oder. J. A. Stein, die beide aus der Silbermann-Schule hervorgegangen sind. Wenn das Clavichord im Diskant einen etwas weniger gekrümmten Steg hätte, kö[n]nte man es für eine Arbeit von G. Silbermann halten.
Wie schade, daß ich dieses schöne Instrument nicht genau ausmessen kann!
Sehr gespannt bin ich auf die Innenseite des Resonanzbodens. Ich vermute, da das Instrument nur eine Längsrippe hat (die parallel zum Steg läuft, ihn also nicht kreuzt). Sollte das der Fall sein, so wird die Spielbarmachung sehr in Frage gestellt, will man die alte Decke beibehalten.
Leben Sie wohl, lieber Herr Doktor, und berichten Sie mir bitte darüber, wie das Instrument von Innen aussieht. Ist es nicht signiert? Schauen Sie, ob nicht auf dem Waagbalken eine Signatur zu finden ist.
Mit herzlichen Grüßen bin ich in alter Treue // [handschriftl.] Ihr // AKeutz".