"Lieber Herr Doktor,
haben Sie herzlichen Dank für Ihren lieben Brief aus Freilassing. Die Fortschritte im Spinettbau, über die Sie berichten, erfüllen mich mit Neugierde und Ungeduld, gleichzeitig aber auch mit dem Gefühl der Dankbarkeit für Sie. Daß Sie keine Mühe scheuen, um das Instrument in dieser schweren Zeit zustande zu bringen, kann ich Ihnen nicht hoch genug anrechnen. In der heutigen schwierigen Lage und besonders in den trostlosen Umständen, in denen ich mich befinde, empfinde ich Ihre freundschaftlichen Bemühungen und Ihre Sorge um mich besonders wohltuend.
Auf das Instrument bin ich höchst gespannt. Was für einen Umfang hat es?
Da ich bis jetzt kein Kielinstrument gespielt habe, hoffe ich aus der Beschäftigung mit dem Spinett großen Nutzen und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Was Sie über die Vernichtung der Depotinstrumente in Leipzig schreiben, ist einfach fürchterlich. Wie konnte aber auch Prof. Schulz [Helmut Schultz] sie im 2. Stock, statt in einem Kellerraum aufbewahren!
Ich habe die Erfahrung gemacht, daß sich unter den magazinierten Instrumenten meistens die wertvollsten Stücke befinden, die vor allem dadurch interessant sind, daß sie sich in ihrem ursprünglichen Zustand befinden und nicht durch ungeschickte Restauratoren verschandelt sind.
Im Depot der Berliner Sammlung befindeten sich auch mehrere merkwürdige Stücke, die ich seinerzeit trotz aller Schwierigkeiten besichtigen und abmessen konnte.
Darunter befand sich z. B. ein Pedalclavichord, dann ein Clavichord mit einer ganz merkwürdigen Führung, die ich sonst nirgends gefunden habe und ein anderes Clavichord mit einem seltenen Pianozug. Außerdem waren noch viele Cembali da, die ich aber nur flüchtig sehen konnte, da alle Instrumente aufeinander gestapelt waren und ich keinen Menschen zur Hilfe hatte, um sie aufzustellen. Auch in Berlin waren alle diese Instrumente im 2. Stock untergebracht und zwar in einem Gebäude unweit der Weidendammbrücke. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sie alle vernichtet wurden.
Sie schreiben übrigens von dem ältesten vorhandenen Clavichord, das in Leipzig mitverbrannte. Was war das für ein Instrument? Es würde mich sehr freuen, wenn Sie mir eine Beschreibung dieser Rarität machen könnten. War das Instrument signiert? Wie war seine Form und sein Umfang? War das ein italienisches oder ein deutsches Instrument? - Meine Neugierde ist durch diese Mitteilung aufs höchste gespannt, denn ich hielt das Clavichord von Domenico da Perara in der Leipziger Sammlung, von dem Sie eine Kopie besitzen [gemeint ist die Kopie des Clavichords von Dominicus Pisaurensis MIR1068], für das älteste vorhandene Stück (wenn man von der Fälschung im New-Jorker Museum absieht).
Schreiben Sie mir bitte bald, damit ich in meiner Öde eine Freude haben kann. Ich hoffe, daß es Ihnen gut geht und daß auch das Frl. Weigand sich von Ihrer Grippe erholt hat.
Bei mir gibt es nichts Neues. Das Wetter ist hier zum Verzweifeln: dauernd Wind und Regen. Wir frieren in unseren Stuben, in denen es nie über 15-16° gibt und vergehen vor Langeweile. In den letzten 4 Wochen haben wir nur 3 Tage mit Sonnenschein gehabt.
Mit allen guten Wünschen für Ihr Wohlergehen grüße ich Sie herzlichst. // Ihr // AKreutz".