NL Rück, I, C-0482d

Lieber Herr Kreutz!

Freundlichen Dank für Ihren Brief vom 1. d.M.. Ich will ihn doch noch rasch vor meiner Abreise nach Badgastein, Hotel Krone, beantworten.

Ich kann nicht begreifen, warum Sie nach wie vor die Verstärkung der Berippung auf 3 Rippen für nicht berechtigt halten, nachdem Silbermann als klassisches Beispiel die gleiche Berippung macht. Jedenfalls spricht für meine Ansicht die tonliche Qualität des Instruments, die hervorragend geworden ist. Ich glaube überhaupt, dass mit der Berippung ein Kultus getrieben wird - nicht nur bei Clavichorden, auch bei Klavieren - der sicherlich nicht berechtigt ist.

Nun meinten Sie weiter, die Böden müssten nach 15 Jahren ersetzt werden: auch gegen diese Ansicht spricht die tonliche Qualität des Instruments.

Nun interessiert Sie sehr, wie die Kopie ist: wir haben sowohl Original wie Kopie auf verschiedene Stimmungen gebracht. Erst auf A 870, dann 1/4 und dann 1/2 Ton tiefer. Da ergab sich folgendes: das Original klingt bei 1/4 Ton tiefer wärmer, bei 1/2 Ton tiefer ändert sich der Toncharakter nicht mehr. Die Kopie klingt bei 1/4 unter normal etwas steifer und singt in der Mittellage und Diskant etwas wärmer wie das Original: dies wäre gleich der Erscheinung, dass neue Geigen nicht so warm klingen wie alte Geigen und erst eingespielt werden müssen.
Stimmt man dagegen die Kopie 1/2 Ton unter normal, so ist sie praktisch kaum mehr vom Original zu unterscheiden. Diese Feststellungen sprechen meines Erachtens unbedingt dafür, nach Möglichkeit die alten Boden zu belassen.

Für diese Meinung spricht ja auch die Tatsache, dass man nach Möglichkeit bei alten Hammerflügeln, Cembali und Spinetten immer trachtet, den alten Boden zu belassen und bei Reparaturen alter Geigen es ja eine Sünde wider den Heiligen Geist wäre, wenn man die Geigendecke durch eine neue ersetzen werde, selbst wenn sie soundsoviel Risse hat. Ich kann mir, offen gestanden, nicht vorstellen, warum das bei Clavichorden ausgerechnet anders sein soll. Wir machen ja zwangsweise dann einen neuen Boden in ein altes Instrument, wenn der alte wirklich nicht mehr verwertbar ist.

Die Erfahrungen mit der Kopie sprechen für meine Ansicht. Es ist schade, wenn andere Zeiten wären, hätte ich sogar probiert, aus der Kopie den Boden wieder rauszumachen und einen nach Ihrem Vorschlag mit einer Längsrippe zu berippen. Aber das kostet alles ungeheures Geld und es fehlen mir die Leute, um solche Experimente vorzunehmen. So muss ich mich mit dem begnügen, was ich Ihnen heute mitteilen kann.

Der Toncharakter des Mozart-Cavichords ist singend, besondere in der Mittellage und Diskant. Der Bass kann ja nicht so singen infolge der übersponnenen Saiten.

Ich nahm jetzt die Gelegenheit wahr, in Wien in der Sammlung ein Clavichord ungefähr aus der gleichen Zeit zu untersuchen. Ich mass dabei zur Kontrolle die Dünne der Bassaiten nach und es ergab sich, dass Marx auf Grund seiner Erfahrungen die Bassaiten fast genau in der gleichen Stärke bei ziemlich gleicher Zensur genommen hat.
Die Bassaiten des Wiener Instruments erschienen mir noch original.

Sehr interessant ist mit, was Sie bei dem Hammerklavier schreiben, wo die Rippe unter dem Steg durch einen Stimmstock gestützt wird: wenn diese Sache ursprünglich ist (wenn sie nicht durch einen Reparateur eingefügt wurde, was ich erst vor wenigen Monaten bei einem zweimanualigen Cembalo von mir konstatierte!), dann würde diese Tatsache konform sein der Anordnung der Geigendecke mit ihrem Stimmstock. Dieses Problem weiter durchdacht führt dazu, dass durch diese Anordnung der Resonanzboden gleichmässig ausgespannt wird und ich komme logischerweise auch hier wieder zu dem Schluss, dass es das gleiche ist als wenn der Resonanzboden so berippt wird, dass er sich nicht durchdrücken kann. Selbstverständlich müssen die Rippen dabei vernünftig und mit Kenntnis und Gefühl dimensioniert werden.

Mir geht es gesundheitlich erträglich. Die Massagekur ergab, dass ein Rückfall in der linken Hand von der Nervenentzündung gewesen ist und ich muss im Oktober wieder nach Wien.

Sie schreiben nichts besonderes, aber ich nehme an, dass Sie halbwegs wohlauf sind. Ich möchte nur wünschen, dass Ihre Prophezeiung mit den drei Jahren zeitlich zu lang bemessen ist.

Indessen herzliche Grüsse // von Ihrem alten getreuen".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1942,08,21
Schreibort
Nürnberg
Erwähnte Objekte
Klavichord
Tasteninstrumente
erwähnt als
Restaurierung
Detailinformation(en)
Klang
Bundfreies Klavichord
Tasteninstrumente
erwähnt als
Nachbau
Vergleichsobjekt(e)
Klang
erwähnte Personen
erwähnte Ereignisse
Typ des Ereignisses
Restaurierungsethik
Involviertes Objekt
Klavichord