NL Rück, I, C-0482d

Handschriftlich U. Rück mit Bleistift oben links: "PR 29/9/BGastein".

"Lieber Herr Doktor,

mit Schrecken habe ich die Nachricht von dem Luftangriff auf Nürnberg vernommen. Hoffentlich ist das Gebäude Tafelfeldstraße verschont geblieben!

Man kann sich kaum vorstellen, daß die alte Burg nun in Trümmern liegt, abgesehen von anderen Baudenkmälern ...

Zwar weiß ich, daß Sie einen Teil Ihrer Instrumente eingekellert haben, aber immerhin ist mir ganz bange um die unersetzlichen Verluste, die Sie machen könnten.

Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir in kurzen Worten darüber berichten würden, ob bei Ihnen alles in Ordnung ist.

Mit Wehmut denke ich an die Zerstörungen, die dieser Krieg schon mit sich gebracht hat und noch bringen wird. Wenn man daran denkt, daß die schönen Lübe[c]ker Kirchen, die Totentanzorgel, der Mainzer Dom nicht mehr existieren, dann könnte man heulen. Durch Zerstörung dieser Kulturdenkmäler wird die ganze Kulturlosigkeit unserer Zeit noch augenscheinlicher.

- Seit einigen Tagen bin ich in ein anderes Lager versetzt worden (meine neue Nummer ist ii 548). Diese Versetzung kam mir höchst ungelegen, da ich durch sie meinen Urlaub eingebüßt habe, auf den ich wieder monatelang warten muß. Auch kann ich nun meine Familie nicht so gut mit Fett versorgen wie früher, da ich hier wenig Beziehungen habe und die Gegend auch weniger 'nahrhaft' ist.

Wie geht es Ihnen? Ist Ihre Gesundheit jetzt auf der Höhe? Bekommt Ihnen die Kur?

Mir geht es hier antürlich nicht so gut wie in Rositten, wo wir eine fantastische Verpflegung hatten, aber ich werde immerhin satt, was viele in der Heimat nicht werden.

Beim Umzug fiel mir das Bild des Mozart-Clavichords in die Hände, das in Wien steht. Nun ist mir ganz klar, warum ich beim Salzburger Instrument eine Längsrippe vermutete: ich habe es mit dem Wiener Instrument verwechselt. Das Wiener (Friederici)-Clavichord wird bestimmt eine Längsrippe haben, da kann ich jede Wette eingehen! Betrachten Sie auch die gerade Stegführung im Baß. Vielleicht werden auch schwache Querrippen vorhanden sein, doch die Hauptlast trägt bestimmt eine Längsrippe. Da ich beide Instrumente nie gesehen habe und die Photos nicht mehr deutlich in Erinnerung hatte, habe ich sie verwechselt.

Nun hoffe ich nur, daß Marx, sollte er auch dieses Instrument restaurieren, er nicht genau so verfälscht wie das Salzburger! Er wird sich doch nicht einbilden, daß er mehr versteht als der alte Friederici. Doch glaube ich jetzt an alles, nachdem ich so viele Instrumente in Museen gesehen habe, die eigenmächtig verändert worden sind.

- Nun genug davon. Bleiben Sie gesund, lieber Herr Doktor, damit Sie diesen schrecklichen Krieg in guter Verfassung überstehen.

Was mich anbelangt, so habe ich für mich weniger Angst wie für meine Familie: die Engländer werden sicher auch nach Stuttgart kommen. Beim letzten, wenn auch kleinen, Angriff fiel eine Brandbombe auf das Dach unseres Hauses. Ein Glück, daß wir ein flaches Dach aus Beton haben; immerhin wurde das Dach beschädigt und der Regen drang bis in mein Arbeitszimmer im 6. Stock hinein.

Leben Sie wohl, lieber Herr Doktor, mit herzlichen Grüßen bin ich in alter Treue // Ihr AKreutz".

 

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1942,09,08
Erwähnte Objekte
Klavichord
Tasteninstrumente
erwähnt als
Detailinformation(en)
Vergleichsobjekt(e)
Klavichord
Tasteninstrumente
erwähnt als
Restaurierung
Detailinformation(en)
erwähnte Institutionen
erwähnt im Zusammenhang
Auslagerung
erwähnte Ereignisse
Typ des Ereignisses
Restaurierungsethik
Involviertes Objekt
Klavichord
Typ des Ereignisses
Kriegshandlung