NL Rück, I, C-0570k

"Mein lieber Herr Marx!

Ich hoffe, dass Sie meine gesammelten Briefe nunmehr alle auf einmal erreichen. Bisher gelang es mir nicht, sie wegzub[ringen.] Bei mir gehts persönlich langsam aufwärts. Aber ich muss noch Diät halten, konnte sie aber etwas lockern. Habe auch endlich etwas zugenommen. Nach Nbg. fahre ich jetzt wöchentlich einmal herein. Im Garten, Jahnstr. 27 wird derzeit ein Behelfsheim aufgebaut: wird enthalten 10 qm Büro und 15 qm Werkstatt als erste Noträume. Als nächstes Bauvorhaben soll der Aufbau Jahnstr. 27 part. und I. Stock kommen. Dann evtl. noch eine 50 qm grosse Baracke an die Stelle, wo Kithils Werkstatt gestanden hat. - Nun zu Ihrer Arbeit: das vordringlichste wäre das Neubeledern eines Maendlercembalos mit 4 Registern (4, 8, 8, 16). Dieses steht im Schloss Kohlstein, Frk. Schweiz, oberhalb Behringersmühle, auf einem Hügel, der gegenüber Schweigelberg liegt, in einen bequemen, auch heizbar zu machenden Raum (alte Küche, mit altem Herd und neuem Ofen). Das C. könnte aber auch nach Nbg. gebracht werden. In K. selbst ist kein Wirtshaus, zum Essen, es sind dort nur 5 Bauern und im Schloss der Förster, ein netter Mann. In Tüchersfeld bezw. Behringersmühle - gleich weit weg - etwa bequem 1/2 bis 3/4 Std - sind gute Wirtshäuser. Sonst ists auf dem Schloss herrlich. Betten habe ich oben, Tisch, Stühle, Waschvorrichtung, da ich immer daran dachte, es als letzten Zufluchtsort zu benutzen. Das C. soll für Konzertzwecke benutzt werden, ist ca. 7 Jahre alt, war zuletzt in Salzburg a.d. Hochschule Mozarteum als Übungsinstrument. Maendler kanns nicht machen, da er in allem total ausgebombt nähe Münchens lebt auf seinem Wochenendhaus. Etwa 1/2 St entfernt ist Pottenstein, wohin Habers Karl jede Woche einmal, oft zweimal mit seinem Auto kommt und von wo jederzeit Gelegenheit wäre für Fahrten nach Nürnberg. Leider habe ich kein Leder zum Beledern, aber notfalls würde man in Nbg. schon Lederabfälle auftreiben, falls Sie keines hätten. Werkzeug würden Sie wohl mitbringen: allerdings wäre Ihr neu beschaffter Werkzeug nicht weit weg davon verlagert, den evtl. Haber holen und bringen könnte. So könnte ein Interimsbetrieb halbwegs eingerichtet werden. Fragt sich nur, ob Sie von Leipzig weg wollen weg können! Vielleicht bringen auch darüber die nächsten Monate einen Entscheid. Denn zurzeit sind die Bahnverhältnisse in Nordbayern noch nicht geregelte. Man braucht noch Passierscheine. Falls Sie einen Passierschein bekämen, müsste er lauten nach Behringersmühle Oberfranken Bayern. - Inzwischen hatte ich grosses Glück: es fanden sich vor in einem anderen Depot der Stadt Nbg: die beiden Steinflügel 1788 und 1840, das Veronaspinett 1567, eine unrestaurierte Orphika (Arbeit für Sie), und ein restauriertes Schmahlhammerklavier: ein grosses Glück. Steht jetzt alles in Hersbruck. –

Ich wohne vorerst noch in Hersbruck, da die 2 Zimmer, die ich mit Luise bei Siegel bekommen soll noch nicht bewohnbar sind und mein Neuzuzug nach Nbg. erst genehmigt werden muss. Geht halt alles langsam vor sich.

Post können Sie nach Nbg., Jahnstr. 27 oder nach Hersbruck, Schloßplatz 1 adressieren, Nbg. wird richtiger sein. Der Kasten dort wird  täglich entleert.

Ich hörte gerne, dass Sie ende Mai noch wohlauf waren und erhoffe gleiches auch jetzt noch bei Ihnen!

Ihnen inzwischen alles gute und herzlichste Grüsse von mir und Lusie!

Damit wie immer // Ihr

 

Falls Sie nach Nbg kommen könnten Haid wohnt Galvanistr. 21/II bei Deuerlein, meine Kontoristin Lindner Pfeifergasse 6 (gegenüber Haber bei Müller; Rückert Hillerstr. 1/II; Schwester von Luise Frau Keck Feuerleinstr. 20, wo überall Anknüpfpunkte. Wenn Sie kämen bitte bestim[?] vorher bei Mannborg und Blüthner Briefe für mich mitzunehmen, worin Bericht, wie es bei beiden geht und wie die Wiederaufnahme der Betri[ebe] gedacht ist."

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1945,08,27
Schreibort
Hersbruck