NL Rück, I, C-0570k

"Lieber Herr Marx!

Das gewünschte Rippenholz war nicht in der Kiste, sondern auf die Kiste und zwar auf den Deckel aufgenagelt. Es waren zwei vierkantige Stangen in Deckellänge, die überdies noch seitlich durch Bretter fixiert waren. Vielleicht ist es Ihrer Aufmerksamkeit entgangen oder es wurde unterwegs verloren oder gestohlen. Holz kann ja heute jeder brauchen! Bitte sehen Sie nochmals am Deckel nach, andernfalls sende ich Rippenholz nach. Allerdings wäre es mir lieb, vorher die Längen zu wissen.

Das Kirschholz für den Deckel am Clavichord reklamierte ich schon wiederholt, ohne es bisher hereinbekommen zu haben. Es liegt in Brixlegg und kann momentan noch nicht abtransportiert werden, doch laufen Verhandlungen mit der Eisenbahndirektion, damit ich es nach Nürnberg bekomme. Ich hoffe Ihnen schon in Bälde näheres berichten zu können.

Senden Sie bitte zuerst das Spinett [unleserl.], da es das wertvollere Instrument ist, und den Deckel hat. Die Kiste wird gross genug sein. Ich sende dann die Kiste wieder zurück. Z.Z. dürfte allerdings der Versand Theorie sein, weil im Moment wenigstens bei uns absolute Gütersperre ist; für den Versand des Instruments finden Sie inliegend Frachtbrief.

Besten Dank für Ihren Brief vom 6.d.M.. Kirschholz für den Deckel auf die Vogelorgel und Scharniere sende ich separat, sobald sie mir das Mass für den Deckel nach Länge, Breite, Stärke angeben. Von Meister Braun höre ich momentan nichts und muss erst eruieren, ob und wo er weiterarbeitet. Jede Kleinigkeit ist heute ein Problem.

Ich bedaure sehr, dass der Lüsterrock meines Bruders bei Ihnen flöten ging. Bei mir gingen drei solche flöten. Ich will gelegentlich nachsehen, ob noch ein Stück vorhanden ist. Wenn ja, diene ich Ihnen gerne damit, weil ich gerade bei Ihnen weiss, lieber Herr Marx, dass Sie ihn sehr in Ehren halten. Ich würde Ihnen aber raten, den Verlust des Lüsterrockes beim Kriegsschädenamt angängig zu machen, damit Sie den Rock wenigstens in bar ersetzt bekommen. Ich würde einen Wert von RM 25.- mindestens einsetzen.

Freundlichen Dank für die übersandten Rechnungen, deren Gegenwert mit Postanweisung folgt.

Kürzlich kontrollierte ich meine Depots und entdeckte darin eine weitere Ruine von einem Vierfuss-Spinett aus Sammlung Klinckerfuss, ferner ein hübsches Nähtischklavier aus Sammlung Will[l]fort und einen alten Rückstand: das Hammerklavier zum Clavi-Organum, von dem nur der Kasten noch vorhanden ist und die Teilung halbwegs ersichtlich, weil eine Schöne einmal vorzog, das Innere für Toilette-Zwecke zu benützen: mit anderen Worten, Meister Marx müsste dazu ein neues Klavier mit englischer Hammermechanik einbauen! Prost Mahlzeit! werden Sie sagen: aber die Sache ist vielleicht insoferne nicht ganz so schlimm, als Zeichnungen eines ähnlichen Instrumentes aus der Berliner Sammlung vom verewigten Herrn Hartmann beiliegen. Ich beabsichtige, Ihnen dieses Unicum zu senden, wenn Sie wieder Luft bekommen.

Für die Kopie des frühesten Clavichords wäre mir noch etwas sehr interessant zu wissen: erinnern Sie sich noch genau der Ornamente der Rosette bezw. ist diese wie ich ja vermute mit in der Zeichnung aufgenommen in ihren Umrisslinien? Mich interessiert dies deswegen, weil aus dem Ornament der Rosette ein wenn auch nicht bündiger so doch immerhin wahrscheinlicher Schluss auf die Entstehungszeit des Instruments gezogen werden könnte. Ebenso aus dem Profil und aus den Schnitzereien der Klaviaturbacken.

Inzwischen alles Gute und herzliche Grüsse // von Ihrem".

Absender/Urheber Person
Empfänger Person
Datum
1944,11,11
Schreibort
Nürnberg